Wirtschaftsatlas

Gefälle in deutscher Wirtschaft: Warum der Süden immer reicher wird


Im Süden ist mehr Geld da, als im Norden

Im Süden ist mehr Geld da, als im Norden

Von Regina Hölzel

Ein Riss geht durch Deutschland. Der Süden zieht davon. Der Rest hinkt nach wie vor hinterher - so das Ergebnis des "Zukunftsatlas 2016" des Prognos-Instituts. Warum gelingt die Aufholjagd nicht?

Boom im Süden, düstere Aussichten in anderen Teilen Deutschlands: Der Graben zwischen reichen Regionen sowie armen Gegenden im Osten, Norden und Westen des Landes ist einer Studie zufolge weiterhin tief. "Die Schere schließt sich nicht. Tendenziell schwächere Regionen haben nicht aufgeholt", sagt Peter Kaiser, Projektleiter des "Prognos Zukunftsatlas 2016". Zwar wächst der Wohlstand in Deutschland - doch nicht überall.

"Starke Industrieunternehmen und Dienstleistungen konzentrieren sich auf Bayern, Baden-Württemberg und Hessen und dort vor allem auf die Metropolen", erläutert Kaiser. Lichtblicke gibt es im Norden mit Wolfsburg (5.) und Hamburg (18.), in Nordrhein-Westfalen mit Düsseldorf (21.) - sie landen immerhin unter den Top 25 des Rankings der 402 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland.

Die größten Zukunftschancen bescheinigt das Forschungsinstitut dem Landkreis München, gefolgt von der Stadt München und der Stadt Ingolstadt. Düster sieht es dagegen für die drei Ost-Landkreise Stendal in Sachsen-Anhalt, Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern und Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) aus - sie sind die Schlusslichter der Studie für das "Handelsblatt". Aber auch der niedersächsische Kreis Lüchow-Dannenberg landet auf einem der hintersten Plätze (Rang 393).

Nicht nur der Osten werde von starken Regionen in Süddeutschland abgehängt, sondern auch Kreise in West- und Norddeutschland, so das Ergebnis einer Untersuchung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Die größten Probleme: Hohe Arbeitslosigkeit und Kinderarmut sowie steigende Schulden der Kommunen. "Das wirtschaftliche Wachstum der vergangenen Jahre hat in Deutschland nicht zu einem Ausgleich der Disparitäten beigetragen, sondern die bestehenden Ungleichgewichte wurden größer und die Gegensätze verschärften sich", so die Studie.

Was sind die Gründe dafür, dass sich die Schere nicht schließt? Städte wie Oberhausen oder Duisburg kämpfen seit vielen Jahren mit dem Strukturwandel des einst dank Stahl und Kohle boomenden Ruhrgebiets. Projektleiter Kaiser spricht von einem "Teufelskreis" aus hoher Verschuldung, hoher Arbeitslosigkeit und hohen Soziallasten. In den klammen Stadtsäckeln fehlt Geld zur Finanzierung zum Beispiel von Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen - das mindert die Attraktivität des Standortes.

Gering sind der Studie zufolge auch die Zukunftschancen in ländlichen Randlagen fernab der Metropolen - zum Beispiel in Vorpommern, der Eifel oder im Bayerischen Wald. "Die jungen Leute gehen weg, und nur wenige kommen nach der Ausbildung zurück. Die Bevölkerung sinkt", erklärt Kaiser.

Ländliche Region bedeutet allerdings nicht automatisch chancenlos - vor allem nicht, wenn sie im erweiterten Speckgürtel einer Großstadt liegt. So belegt der Landkreis Böblingen im Einzugsgebiet von Stuttgart Platz vier unter den Top Ten.

Auch im Osten ist längst nicht mehr alles grau. "Städte wie Leipzig, Jena, Dresden und Erfurt haben sich in den letzten Jahren nach vorn gearbeitet", sagt Kaiser. Dazu trug auch die Ansiedlung von High-Tech-Unternehmen, zum Beispiel des Chipherstellers Infineon in Dresden bei. Jena wiederum gilt als eines der Zentren der optischen Industrie in Deutschland.

"Ein Patentrezept zur Lösung demografische Probleme abgelegener ländlicher Regionen und des Strukturwandels in Altindustrie-Gegenden gibt es nicht", sagt Kaiser. Bayern investiere allerdings relativ viel in die Strukturförderung.

Bund und Länder ringen derzeit um die Umverteilung zwischen "reichen" und "armen" Ländern. Der seit Jahren umstrittene Finanzausgleich, der die Verteilung der Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen regelt, und der Solidarpakt II laufen 2019 aus.

Die Regierungsbeauftragte Iris Gleicke forderte im vergangenen Jahr anlässlich des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung: "Was unser Land für die Zeit nach dem Solidarpakt braucht, ist eine zuverlässige Förderung der strukturschwachen Regionen, und zwar in Ost und West."