Straubing

Ein Knochenjob bei Minusgraden


Überreste eines längst aufgelösten Grabes blockieren den Totengräbern den Weg. Mit einem Bagger ist hier nichts mehr zu machen. Rudolf Effenberger bricht das Gestein mühsam per Hand mit einem Hammer heraus.

Überreste eines längst aufgelösten Grabes blockieren den Totengräbern den Weg. Mit einem Bagger ist hier nichts mehr zu machen. Rudolf Effenberger bricht das Gestein mühsam per Hand mit einem Hammer heraus.

Von Matthias Jell und Redaktion idowa

Der Tod kennt kein Erbarmen - und macht auch vor den Jahreszeiten nicht halt. Gestorben wird immer. Damit die sterblichen Überreste eines Menschen eine würdige Ruhestätte finden, müssen freilich erstmal die Gräber bereitet werden. Insbesondere bei wochenlang anhaltenden Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ein echter Knochenjob: Totengräber.

Dienstag, 7 Uhr morgens. Bei knackigen -12 Grad machen sich Rudolf Effenberger (51) und Erwin Reithmeier (57) am Waldfriedhof in Straubing an die Arbeit. Ein Einzelgrab muss ausgehoben werden. Doch bevor die beiden Männer den Bagger einsetzen und sich zwei Meter durch das Erdreich schaufeln können, müssen sie mit einem Aufbruchhammer (einem Kompressor) ans Werk. Anders wäre bei dem massiven Bodenfrost ein Durchkommen gar nicht möglich. "Zuvor mussten wir die Erde sechs Jahre am Stück nicht mehr aufbrechen, weil wir keine derart kalten Winter mehr hatten. Jetzt haben wir Bodenfrost, der mindestens 20 Zentimeter tief geht, manchmal sogar bis zu 60 Zentimeter", berichtet Rudolf Effenberger, der seit 21 Jahren als Totengräber tätig ist.

"Kinder zu beerdigen - Daran gewöhnt man sich nie"

Der gelernte Regelmechaniker hatte in seiner Anfangszeit als Totengräber durchaus seine Probleme mit der ständigen Konfrontation mit dem Tod. Effenberger: "Erst nach einem Monat konnte ich das langsam ausblenden. Mittlerweile habe ich dadurch aber eine völlig andere Einstellung zum Leben bekommen - diese kurze Zeit, die uns hier vergönnt ist." Zur bloßen Routine verkommt dieser Beruf aber für ihn nie: "Ich sehe mich immer als letzten Begleiter des Vestorbenen. Was mir heute noch sehr nah geht, ist, wenn Kinder beerdigt werden müssen. Daran gewöhnt man sich nie." Ähnlich verhält es sich auch bei seinem Kollegen Erwin Reithmeier: "Man sieht da hin und wieder schon Dinge, die einen anfangs beschäftigen. Aber irgendwann lernt man, all das auf dem Friedhof zu lassen und das nach der Arbeit auszublenden."

Sieben Totengräber sind bei der Friedhofsverwaltung St. Michael in Straubing beschäftigt. Gearbeitet wird auf Abruf und in Zwei-Mann-Gruppen. "Im Regelfall bekommen die Männer drei Tage vorher Bescheid, wo welches Grab auszuheben ist. Sie bekommen dann auch genaue Anweisungen, wie tief gegraben werden muss", berichtet Friedhofsverwalter Josef Baumann. Um ein Grab herzurichten, brauchen die beiden Totengräber mindestens zwei Stunden. "Von daher ist es auch wichtig, dass da zwei Leute dran arbeiten. Für einen allein wäre das ein Ewigkeitswerk und kaum zu bewerkstelligen", so Baumann.

Vereinzelt auch Exhumierungen nötig



Ein Urnengrab misst in der Regel 80 x 100 Zentimeter, das Grab für eine Sargbestattung 90 x 200 Zentimeter. Hier gibt es genaue Richtlinien für die Totengräber. Das ist wichtig, damit beispielsweise bei Familiengräbern der nötige Abstand zwischen den Särgen eingehalten und nichts beschädigt wird.

In seltenen Fällen sind auch Exhumierungen notwendig. Beispielsweise dann, wenn eine richterliche Anordnung wegen des Verdachts einer Straftat vorliegt. Bei einer Exhumierung wird das Grab erneut freigelegt. Und auch dann müssen die Totengräber wieder ran. Der Friedhof wird für die Dauer dieser Arbeiten geschlossen. Schon allein aus Gründen der Pietät. Für die Totengräber beileibe nicht nur ein Mehraufwand, sondern natürlich auch immer eine gewisse psychische Belastung. Man kann sich vorstellen, dass einen ein solcher Anblick nachts um den Schlaf bringen kann. "Eine Exhumierung kommt nur sehr selten vor. Dafür muss schon ein triftiger Grund vorliegen. Und heutzutage sind die Gesetze diesbezüglich auch strenger", erklärt Josef Baumann.

Eiseskälte und Grabreste

Am Dienstagmorgen bleibt den Totengräbern diese Aufgabe erspart. Allerdings haben sie mit dem massiven Bodenfrost zu kämpfen, der an der Grabstelle knapp 25 Zentimeter misst. Und dann machen den beiden Männern just an dieser Stelle auch noch vereinzelte Überreste eines bereits vor langer Zeit aufgelösten Grabes zu schaffen. Eingespreizt zwischen Eis und steinharter Erde befindet sich noch der Überleger eines alten Grabes. "Das kann von der Bauweise her mit einem Türsturz verglichen werden. Normalerweise dürfte das nicht mehr da drin sein. Da wurde in der Vergangenheit schlampig gearbeitet", erklärt Baumann. Doch es hilft alles nichts: schon am Nachmittag steht die Beerdigung auf dem Plan. Erwin Reithmeier schnappt sich einen Spaten und sein Kollege Rudolf Effenberger einen Hammer. Mit vereinten Kräften brechen sie den steinernen Überleger aus dem harten Erdreich. Das alles bei -12 Grad. Ein echter Knochenjob.

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Seit 13 Jahren ist Josef Baumann Friedhofsverwalter am Friedhof St. Michael. Laut seiner Erfahrung geht der Trend "immer mehr hin zu Urnengräbern".

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Der 57-jährige Erwin Reithmeier arbeitet seit 20 Jahren als Totengräber.

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Etwa 10.000 Gräber befinden sich am Friedhof St. Michael in Straubing.

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Unverzichtbare Hilfsmittel für einen Totengräber: Leiter, Spaten und Spitzhacke.

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Nachdem die tiefgefrorene Erde mit einem Kompressor aufgebrochen wurde, kann das Grab mit einem kleinen Bagger freigeschaufelt werden.

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Metertief bahnt sich der Bagger seinen Weg durch das knochenharte Erdreich.

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Umliegende Gräber werden vor Beginn der Baggerarbeiten abgedeckt, um nicht verschmutzt oder beschädigt zu werden.

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Metertief bahnt sich der Bagger seinen Weg durch das knochenharte Erdreich.

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Metertief bahnt sich der Bagger seinen Weg durch das knochenharte Erdreich.

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Metertief bahnt sich der Bagger seinen Weg durch das knochenharte Erdreich.

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Überreste eines längst aufgelösten Grabes blockieren den Totengräbern den Weg. Mit einem Bagger ist hier nichts mehr zu machen. Erwin Reithmeier lockert das Gestein deshalb mit einem Spaten.

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Überreste eines längst aufgelösten Grabes blockieren den Totengräbern den Weg. Mit einem Bagger ist hier nichts mehr zu machen. Rudolf Effenberger bricht das Gestein mühsam per Hand mit einem Hammer heraus.

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Dick eingepackt und mit vollem Einsatz am Werk: Rudolf Effenberger. Er arbeitet bereits seit 21 Jahren als Totengräber.