Prozess in Bayreuth

Fernfahrer gesteht Tötung der Tramperin Sophia


Der wegen Modes angeklagte Fernfahrer (Mitte) betritt zu Prozessbeginn den Sitzungssaal des Landgerichts Bayreuth.

Der wegen Modes angeklagte Fernfahrer (Mitte) betritt zu Prozessbeginn den Sitzungssaal des Landgerichts Bayreuth.

Von dpa

Die Leiche verkohlt, der Lkw abgefackelt: Das Schicksal der Studentin Sophia Lösche hat im vergangenen Jahr international bewegt. Nun steht ein Fernfahrer unter Mordverdacht vor Gericht.

"Sie hat mich nicht respektiert. Sie hat mich geschlagen. Das war der Fehler." So sagt es der 42-jährige Fernfahrer im Prozess um den Mord an der trampenden Studentin Sophia Lösche. Er hat die 28-Jährige im vergangenen Jahr umgebracht - das gibt er am Dienstag selbst zum Prozessauftakt am Landgericht Bayreuth zu.

Doch bei der Frage nach dem Grund dafür gehen seine Sicht auf die Dinge und der Vorwurf der Staatsanwaltschaft weit auseinander. Die Anklagebehörde beschuldigt ihn, ein Sexualdelikt vertuschen zu wollen. Er behauptet, Sophia und er hätten sich wegen Drogen gestritten.

Dass genau das passiert, was der Angeklagte macht - Sophia gewissermaßen die Verantwortung für das Geschehen zu geben - haben manche wohl geahnt. Sie protestieren vor dem Gerichtsgebäude mit Transparenten, auf denen steht: "Gegen jeden Sexismus & Victim Blaming". Zwei Handvoll Unterstützer halten sie in die Höhe. Sie wollen verhindern, dass die Tat des mutmaßlichen Mörders umgedeutet wird zur Schuld des Opfers. "Victim Blaming" bedeutet Opferbeschuldigung oder Täter-Opfer-Umkehr.

Zwar wiederholt der Marokkaner vor der Schwurgerichtskammer sein Geständnis, das er bei der Polizei gemacht hat: Er habe die Studentin mit dem Radmutterschlüssel seines Lastwagens erschlagen. Aber er habe sie nicht missbraucht. An den Vorsitzenden Richter Bernhard Heim gerichtet sagt er, übersetzt aus dem Arabischen, flehentlich: "Verurteilen Sie mich zu Tode. Aber ich bitte Sie, keine sexuelle Belästigung daraus zu machen und die Ehre dieser Frau nicht zu beflecken."

Immer wieder weint der Trucker in seiner Vernehmung und bemitleidet sich selbst: "Ich halte die Situation nicht mehr aus. Ich quäle mich seit dem Tod von Sophia jeden Tag." Auf der Flucht mit dem Lastwagen und mit Sophias Leiche an Bord vor einem Jahr durch Spanien habe er mehrfach überlegt, sich das Leben zu nehmen. "Ich habe Stofffetzen gegessen, um mich umzubringen." Am 19. Juni 2018 wird der Mann in Südspanien festgenommen. Die verkohlte Leiche Sophias und den ausgebrannten Lkw findet die Polizei im Norden des Landes.

Die Tat habe er sich lange Zeit nicht eingestehen können. Schließlich vertraute er sich seinem Verteidiger, dem Bayreuther Anwalt Karsten Schieseck, an und legte ein Geständnis ab. Das verliest dieser vor Gericht. Weil er verhindern wolle, dass die Tat als Sexualdelikt beurteilt wird, wolle er umfangreich aussagen, wie die Tötung Sophias abgelaufen sei. Der 42-Jährige entschuldigt er sich bei den Eltern und dem Bruder der Getöteten, auch wenn eine Entschuldigung nicht ausreiche. Er habe ihnen schweres Unrecht zugefügt.

Nach seiner Version des Geschehens spricht ihn Sophia am Abend des 14. Juni 2018 auf der Autobahnraststätte Schkeuditzer Kreuz bei Leipzig an der A9 an, ob sie mit ihm in Richtung Amberg - nach Hause - mitfahren könne. Sie zeigt dem Trucker ihr Ziel auf ihrem Handy. Er willigt ein. Die beiden fahren los. Haben keine Probleme, so sagt er.

Kommuniziert wird mit ein paar Brocken Arabisch, die Sophia beherrscht, auf Englisch und mit Händen und Gesten. Sophia habe gefragt, ob sie rauchen dürfe, und sich einen Joint angezündet. Der Fernfahrer zeigt ihr Bilder seiner vier Kinder auf seinem Handy, wie er berichtet. Sie habe auf seinem Facebook-Profil herausgefunden, dass Freunde ihn Bob nennen - und es dann auch so gemacht.

Nach etwa zwei Stunden habe Sophia um eine Toilettenpause gebeten. Er habe den 40-Tonner auf den Rastplatz Sperbes in Oberfranken gelenkt. Doch als er mit dem Radmutterschlüssel die Reifen kontrolliert, sieht er laut Aussage, wie Sophia im Fahrerhaus seine Sachen durchwühlt. Er habe sie zur Rede gestellt. Angeblich missverstehen sie sich jetzt.

Sophia habe gesagt, sie suche nach einem Stück Haschisch - und ihn bezichtigt, es genommen zu haben. Sie habe ihm ins Gesicht geschlagen. Es habe ein Gerangel gegeben. Als sie auf dem Boden der Fahrerkabine gekniet sei, habe er ihr von hinten "vier oder fünf Mal, vielleicht auch sieben Mal" mit dem Werkzeug auf den Kopf geschlagen.

Für den Anwalt von Sophias Angehörigen, Valentin Barth, erfüllt dieses Geständnis das Mordmerkmal der Heimtücke, weil Sophia arg- und wehrlos gewesen sei. Die Eltern und Sophias Bruder Andreas Lösche treten als Nebenkläger auf. Das Abstreiten sexueller Straftaten sei ein "prozesstaktisches Verhalten" des Angeklagten, sagt Barth. Er hoffe, dass in den rechtsmedizinischen Gutachten Beweise für die sexuellen Übergriffe des Fernfahrers zu Tage kommen.

Für die Eltern sei das Verfahren sehr aufwühlend, so Barth. "Sie halten sich gut, aber es ist eine große Belastung für sie. Sie wollen, dass die Wahrheit auf den Tisch kommt." Am ersten Prozesstag ist es nur die Version des Angeklagten. Ob sie stimmt oder er "Victim Blaming" betreibt, um vom Mordvorwurf freizukommen, muss das Gericht an den bislang geplanten weiteren elf Verhandlungstagen herausfinden.