Pokémon

Yannick ist auf dem Weg zum Pokémon-Millionär


Reich durch Spielkarten - das hat Yannick geschafft.

Reich durch Spielkarten - das hat Yannick geschafft.

Von Sophia Häns

Yannick ist 25. Außer seinem Vornamen und seinem Alter will er nichts von sich verraten. Das liegt an einem Hobby, mit dem er bereits sehr viel Geld verdient hat. Was alte Pokémon-Karten und eine Firma in Kalifornien damit zu tun haben, erzählt er uns.

Sommer 1999 auf dem Schulhof, große Pause. Eine Gruppe Jungs, die Köpfe zusammengesteckt. Unter ihnen: der damals sechsjährige Yannick. In den Händen der Erstklässler: keine Pausenbrote, sondern Pokémon-Karten. Jeder versucht, an die Karten zu kommen, die in seiner Sammlung fehlen. Dafür ist die Pause fast zu kurz. Nach der Schule: ein dringender Termin mit dem Fernseher. Die Pokémon-Abenteuer warten.

Riesiger Markt in Amerika

Anfang 2014: Yannick sitzt gelangweilt im Uni-Hörsaal. Aber er und sein Kumpel finden ein interessanteres Thema als das der trockenen Vorlesung: Beide verbindet die Pokémon-Leidenschaft. "Mein Kumpel sagte: ‚Komm wir kaufen uns einen Gameboy mit dem neuen Pokémon-Spiel.' Dann saßen wir zockend in den Vorlesungen." Kurz darauf: Zwei erwachsene Männer im "Rofu-Kinderland". Ihre Beute: "Booster-Packs" mit Pokémon-Karten. Aber die Karten sind nicht mehr die Gleichen. Weil Yannick die neuen Karten nicht gefallen, sucht er auf eBay nach der Karte, die als Kind jeder haben wollte: das "Glurak" der 1. Edition. Für 50 Euro kauft er die Karte. Kurz ist er zufrieden. Doch es gibt noch andere Karten, für die er sich als Kind sprichwörtlich ein Bein ausgerissen hätte. "Dann habe ich nach einem ‚Turtok' gesucht." Alles, was Yannick findet, ist eine Karte in der 1. Edition, die von einer Firma mit dem Namen "PSA" mit einer 10 bewertet wurde. Damals weiß Yannick nicht, was es damit auf sich hat. Oder warum die Karte viermal teurer ist als eine normale Karte. Durch Recherchen auf Youtube und Google stellt er fest: PSA ist eine Bewertungsfirma aus Kalifornien. Sie bewertet Pokémon-Karten nach Zustand und Authentizität. Eine 10 entspricht der Höchstwertung. "In Amerika war das damals ein riesiger Markt, aber in Europa völlig unbekannt."

Yannick bringt den Trend zu uns

Yannick beginnt, deutsche Karten in Amerika zu kaufen. Vergleichsweise günstig. Der nächste Schritt: Sein "Hobby", wie er es nennt, über Facebook und Instagram zu vermarkten. Denn die günstig eingekauften deutschen Karten konnte man in Deutschland teuer verkaufen. "Als armer Student habe ich mir Karten finanziert, indem ich Karten mitgekauft habe, die ich sofort wieder verkaufen wollte." Der Markt wächst, die Karten werden beliebter. "Heute machen das Abertausende in Europa." Dank Yannick. "Ich würde sagen, ich war der Erste in Europa, der auf die bewerteten Karten aus Amerika gekommen ist und den Trend hierher gebracht hat." Einmal ist es Yannick passiert, dass er eine perfekte Karte zu PSA geschickt hat und diese beschädigt zurückgekommen ist. Die Karten werden in offenen Hüllen mit Schlitz eingesendet. Als der Bewerter die Karte aus der Hülle gezogen hat, haben Staubkörner, die zuvor in die Hülle gerieselt sind, die Folie verkratzt. "Aus der Karte wurde eine 9 statt der 10, die sie verdient hätte." Das hatte Folgen. Als 10er-Karte wäre sie 5 000 Euro wert gewesen, als 9 nicht mal 100. Denn: Von dieser Karte mit 10er-Wertung gibt es weltweit nur drei Stück. "Das war bitter."

Ende 2014: Yannicks Idee funktioniert. Zuerst kauft er eine Karte für 25 Euro und verkauft sie für 50. Dann kauft er für 100 Euro ein und verkauft für 200 Euro. Der Wert steigt weiter. "Da habe ich gewusst, ich muss so viel Geld wie möglich in mein Hobby stecken." Viel Geld hat er als Student aber nicht. "Ich habe meiner Mutter erklärt, was ich mache." Sie vertraut ihm. "Vielleicht hat sie sich daran erinnert, als sie mir selbst Booster-Packs gekauft hat." Yannicks Mutter schenkt ihm 3 000 Euro. "Sie hat gesagt: ‚Mach was damit!' Und das habe ich." Er hat das Geld so investiert, dass sechsstellige Beträge daraus geworden sind.

Ende 2018: Yannick kauft fast nur noch für seine private Sammlung. Mittlerweile ist er berufstätig. Wenn sich die Preise weiter so entwickeln und das Geld weiter fließt, ist die Sammlung bald komplett. Und bleibt dann im Bankschließfach. Und Yannick kann sich ganz auf das Geldverdienen konzentrieren.

Auf Instagram unter dem Namen @psa_gem_wizard zeigt Yannick Teile seiner Sammlung.

So arbeitet Yannick

Meist kauft Yannick Pokémon-Sammlungen und schickt wertvolle Karten zur Bewertungsfirma PSA nach Kalifornien. Das kostet je nach Menge etwa zehn bis fünfzehn Euro plus Versand. Dann dauert es ein halbes Jahr, bis die Karten zurückkommen. Die Wertsteigerung zwischen einer unbewerteten und einer mit der Höchstwertung 10 bewerteten Karte kann das Zwanzigfache betragen, sagt Yannick. "Meine wertvollste Karte liegt gerade bei 40 000 Dollar." Ganz wenige Karten sind siebenstellige Beträge wert. Zum Beispiel japanische Trophy-Cards. Das sind Karten, die an Sieger von Tournaments (Wettkämpfen) zwischen 1997 und 1999 in Japan ausgegeben wurden. An die kommt man aber nicht ran. "Da musst du Millionär sein", sagt Yannick.

Die Karten kommen in "Cases" eingeschweißt zurück. Luft- und wasserdicht. So kann sich der Zustand nicht verschlechtern und sie sind für die Ewigkeit eingeschlossen. Denn die Karten bestehen nur aus Papier, Pappe und Aluminium-Folie. Auf der Hülle steht die Bewertung.

Yannick kauft auch bereits bewertete Karten privater Anbieter. Er kennt die größten Verkäufer der USA. "Die schicken eine Liste der Karten, wenn eine frisch bewertete Ladung zurückkommt und ich suche mir die Karten aus, die ich will." Auf eBay werden mittlerweile nur noch Karten verkauft, die vorher privat niemand gewollt hat. "Zum Glück habe ich alle Connections, die es in der Pokémon-Welt gibt."

Der 25-Jährige ist überzeugt: Nostalgie verschwindet nicht. "Das sieht man an vergleichbaren Sammlerstücken wie Sportkarten aus den 50ern." Aber auch Briefmarkensammler sind mittlerweile auf Pokémon-Karten aufmerksam geworden. "Die geben richtige Summen aus. Ich kenne einen Millionär aus der Schweiz, dem die Briefmarkensammlerei zu teuer geworden ist, weil die pro Stück über eine Million kosten können. Daher ist er auf Pokémon umgestiegen."

Sechs Fragen an Yannick

Welche Sicherheitsmaßnahmen hast du getroffen?

Meine Karten liegen in einem Bankschließfach. Bei Feuer oder Einbruch sind sie zusätzlich über ihren echten Wert versichert.

Dein höchster Gewinn mit einer Karte?

Die teuersten Karten, die ich besitze, verkaufe ich nicht. Aber mein maximaler Gewinn direkt von Kauf zu Verkauf waren 5 000 Euro.

Wie sieht deine private Sammlung aus?

Ich besitze über 300 Karten mit 10er-Bewertungen, einige davon doppelt. Es gibt 180 holographische Karten der 1. Edition aus den ersten zehn Sets. Da bin ich kurz davor, alle zu besitzen. Zwölf brauche ich noch. Aber die Karten, die mir noch fehlen, gibt es nur zwei oder drei Mal in einer 10er-Bewertung auf der Welt. Die sind in Sammlungen weggesperrt und stehen nicht zum Verkauf.

Müsstest du noch arbeiten?

Ja, das schon. Ich könnte aber, wenn ich mich aufs Kaufen und Verkaufen konzentrieren würde, meinen Lebensunterhalt mit Pokémon bestreiten. Aber ich sehe die Karten als Frührente. Nur wie früh, ist die Frage.

Wie zeitaufwendig ist dein Hobby?

Wenn man Connections hat und weiß, wie und was man suchen muss, geht es. Ich investiere am Tag zwei bis drei Stunden. Wenn ich meinen Job kündigen würde, könnte ich mich länger damit beschäftigen, aber ich brauche das im Moment noch nicht.

Wohin geht der Trend?

Auf Youtube gibt es immer mehr Videos wie "Was sind deine Pokémon-Karten wert?" mit Millionen von Klicks. An unbewertete gute Karten zu kommen, ist mittlerweile fast unmöglich. Das fällt sogar mir extrem schwer. Manchmal habe ich Glück und finde eine gute unbewertete Karte, aber nach über 20 Jahren wird es immer schwieriger und unwahrscheinlicher.