Moskau

Seehofer hofft auf neue Impulse durch Moskau-Besuch


Ministerpräsident Horst Seehofer betont in Moskau noch einmal explizit: "Hier gibt es nicht den Hauch einer Verschwörungstheorie".

Ministerpräsident Horst Seehofer betont in Moskau noch einmal explizit: "Hier gibt es nicht den Hauch einer Verschwörungstheorie".

Der Wind lässt das eine Grad plus noch viel kälter wirken. Der Luftzug auf dem Roten Platz tut sein Übriges. Horst Seehofer lässt es sich am Donnerstag dennoch nicht nehmen, vor der Basiliuskathedrale noch einmal zu betonen, worum es ihm bei seinem Moskaubesuch geht. "Vertrauen und Normalität" will er im Verhältnis zu Russland wieder herstellen.

Daher ist der bayerische Ministerpräsident am Mittwoch in die russische Hauptstadt gereist. Eine Stunde und 40 Minuten hatte sich Präsident Wladimir Putin für den Besuch aus Bayern Zeit genommen.

Keine Verschwörungstheorie

In den russischen Medien wurde breit über den Besuch des "Merkel-Gegners" Seehofer berichtet. Schließlich sind sich der CSU-Chef und Angela Merkel uneins über den Kurs in der Flüchtlingspolitik. Die gegen Russland verhängten Sanktionen infolge der Krim-Annexion sieht der Bayer derzeit offenbar ebenfalls kritischer als die Bundesregierung. Dennoch, hier gebe es "nicht den Hauch einer Verschwörungstheorie", versichert Seehofer. Vertrauen und Normalität - diese wieder herzustellen, sei ein Ziel, das Seehofer "nicht gegen, sondern mit der Bundesregierung" erreichen will. So sei dies auch zwischen ihm, Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) abgesprochen, erklärt Seehofer, nur einen Steinwurf entfernt vom Eingang zum Kreml. Schließlich habe er sich in fast 40 Jahren in der Politik "noch nie instrumentalisieren lassen".

Enge Verbindungen zwischen Bayern und Russland

"Die Welt ist kompliziert" mit vielen Interessen, die es irgendwie auszugleichen gelte. Dies sei auch im Gespräch mit Putin als "Selbstvergewisserung" deutlich geworden, sagt Seehofer und lobt die "freundschaftliche Atmosphäre" in der Residenz Putins vor den Toren Moskaus. Die Verbindungen zwischen Bayern und Russland seien eben eng. "Unter all dem Guten in Deutschland ist Bayern was Besonderes", lobt Seehofer den Freistaat und ist sichtlich stolz auf den Coup, den er mit seinem Putin-Besuch gelandet hat. Die Staatsregierung jedenfalls werde den Weg fortsetzen, das Miteinander und den Ausgleich zu suchen. "Die Reise war richtig, notwendig und erfolgreich", sagt Seehofer am Donnerstagabend vor Journalisten. Immerhin der Moskauer Oberbürgermeister Sergej Sobjanin trug noch ganz dick auf und meinte gar, "Sie haben eine Heldentat vollbracht", wie Seehofer berichtet. Auch er hält das für etwas viel, "aber gerne hört man das schon". Das sieht auch Edmund Stoiber so, der sogar ohne Mantel in der Kälte auf dem Roten Platz steht. Der frühere Ministerpräsident freut sich, dass die bayerisch-russischen Beziehungen nun "ein Stück Erneuerung" erfahren hätten, durch dieses "offene, gute und lange" Gespräch mit Putin. Dass Bayern diese Beziehungen mit dem Kreml nun institutionalisieren wolle, sei zu begrüßen. "Jeder Besuch, der Verständnis fördert und Gesprächsbereitschaft untermauert, ist gut", betont Stoiber. Miteinander zu reden und Verständnis für die jeweils andere Seite zu haben, sei ohnehin ein Schlüssel dazu, Lösungen zu finden.

Bei den Sanktionen ist er ebenfalls vorsichtig zuversichtlich. Bald werde es eine Debatte über eine Fortsetzung oder Lockerung dieser Sanktionen geben, unter denen Russland ebenso leidet wie Teile der bayerischen Wirtschaft. Für Russland sind sie offenbar etwas schlimmer. Doch auch andere Faktoren, wie der Ölpreisverfall und strukturelle Mängel, gepaart mit einem erheblichen Reformdefizit, setzen Russland mächtig zu. In den vergangenen Jahren ist die Wirtschaft des Landes um jeweils gut 3,5 Prozent geschrumpft, die Inflation macht den Menschen zu schaffen, die noch dazu einen Rückgang der Realeinkommen verkraften müssen.

In der Ukraine-Krise "Hausaufgaben für beide Konfliktparteien"


Angesichts dessen mag auch die Gesprächsbereitschaft Russlands zunehmen. Das zumindest glaubt Seehofer irgendwie gespürt zu haben. In der Ukraine-Krise hätten beide Konfliktparteien "Hausaufgaben zu erledigen". Zur Münchner Sicherheitskonferenz werden jedenfalls Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew sowie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erwartet - beide hätten bereits um ein Gespräch gebeten. Ob Seehofer nun etwas zu blauäugig glaubt, mit gutem Willen und Gesprächen ließe sich die Krise lösen, wird sich zeigen. Doch in allen aktuellen Konflikten, so ist sich Seehofer sicher, gilt: "Ohne Russland geht nichts." Und dass der Freistaat nun mit an der Spitze derer steht, die Putin einen Weg zurück in die Weltgemeinschaft ebnen, kann auch eines Tages für Bayern von Vorteil sein.

Gemeinsame Projekte

Von Vorteil für beide Seiten könnte zudem ein Abkommen sein, das Seehofer am Donnerstag zusammen mit dem Moskauer Oberbürgermeister Sobjanin schließt. Die Region Moskau und Bayern sind Partnerregionen und auch mit der Stadt arbeitet der Freistaat schon lange eng zusammen. Zuletzt hätten beide Seiten Projekte in den Bereichen Medizin, Kultur und Verkehrswesen auf die Beine gestellt, sagt Sobjanin. "Trotz Schwierigkeiten" durch die derzeit geltenden Sanktionen wolle man mit diesem Abkommen nun die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken, denn der Handel alleine zwischen Moskau und Bayern mache einen großen Teil der gesamten deutsch-russischen Handelsbeziehungen aus.

Moskau sei insbesondere an Investitionen interessiert und habe dazu mehrere Technologieparks eingerichtet. "Trotz Sanktionen sehe ich mit Optimismus auf die weiteren Beziehungen", sagt der Oberbürgermeister. Seehofer sieht das ähnlich und verweist darauf, dass Bayern bereits 1995 eine Repräsentanz in Moskau eröffnet hat. Es gehöre eben zur bayerischen Geschichte, dass man selbst auch Auslandsvertretungen einrichte, sagt Seehofer mit breitem Grinsen. Mit der neuen Vereinbarung solle nun "ein neues Kapitel" in den Wirtschaftsbeziehungen aufgeschlagen werden. Des Weiteren regt der Ministerpräsident an, die Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Kultur zu vertiefen. Diese Themen sollen auch bei der für Herbst geplanten Delegationsreise nach Moskau eine Rolle spielen.