Leitartikel

Sackgasse Elektroauto


Die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Elektromobilität sind zu ehrgeizig.

Die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Elektromobilität sind zu ehrgeizig.

Zu glauben, alleine mit Elektroautos die Energie-, Klima- und Mobilitätsprobleme der Zukunft lösen zu können, wäre ein Holzweg.

Die Kaufprämie soll es jetzt richten. Die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau der Elektromobilität sind zu ehrgeizig. Eine Million elektrisch angetriebener Fahrzeuge sollte eigentlich bis 2020 auf deutschen Straßen rollen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht jetzt noch von 500.000. Doch von ein paar Mitnahmeeffekten abgesehen dürfte auch das unter dem irreführenden Namen "Umweltprämie" beschlossene Förderprogramm bei den Deutschen die Begeisterung für Elektroautos kaum nennenswert erhöhen. 4.000 Euro Kaufförderung für reine Elektroautos, 3.000 Euro für Hybridfahrzeuge und zehn Jahre Steuerbefreiung. Das klingt erst mal verlockend, löst aber die Probleme nicht. Zu teuer, wenig praxistauglich - so lauten die häufig zu hörenden Vorwürfe. Einige Autofahrer dürften inzwischen ahnen: Der Elektroantrieb könnte in einer Sackgasse enden.

Solarzelle auf dem Garagendach, ein Energiespeicher an der Wand, der nachts den Stromer auflädt - so könnte aus dem Elektroantrieb ein Schuh werden. Aber in Mietgaragen, auf dem Laternen- oder Firmenparkplatz - wer hat schon wirklich ständig Zugang zur Ladeinfrastruktur? Und wem nützt das Auto ohne Verbrennungsmotor, wenn dann doch Braunkohlestrom in die Batterien fließt? Dem Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern, kommt man so nicht näher. Der deutsche Strommix erlaubt es in der Regel eben nicht, nur "guten" Strom aus regenerativen Quellen abzuzapfen und "bösen" Strom aus Kohle oder anderen fossilen Energieträgern auszusperren. Gut, viele dieser Defizite könnte man im Laufe der Zeit womöglich ausgleichen. Massentauglich wird das Ganze dann aber immer noch nicht.

Bleiben wir beim Problem Aufladen: Noch ist die Infrastruktur dazu nicht ausreichend. Ein Kamerateam, das sich für eine Verbrauchersendung mit einem Elektroauto auf den Weg von München nach Leipzig machen wollte, gab nach nicht mal halber Strecke und einer Nacht im Hotel entnervt auf. Stecker waren nicht kompatibel, das Schnellladen - davon hängt nämlich die Langstreckentauglichkeit der E-Autos ab - funktionierte nicht. Man mag das für Kinderkrankheiten einer neuen Technologie halten. So einfach ist das aber nicht. Denn die Ladetechnik hat es in sich. Schonendes Laden, das den Batterien nicht zu sehr zusetzt, bedeutet: Das Auto muss über Nacht an die Steckdose. Praxistauglich ist das nur für jene, die das E-Auto nur als Zweitwagen oder nur für sehr überschaubare Fahrstrecken nutzen. Das Schnellladen dauert gerade mal um die 20 Minuten - eine Tasse Kaffee lang. Das wäre hinnehmbar. Die Batterien vertragen es dagegen auf Dauer weniger gut, wenn sie im Turbogang mit Strom vollgepumpt werden - die Leistung nimmt im Laufe der Zeit ab, die Reichweite schrumpft.

Doch gerade die Laufleistung macht den Unterschied. Rein statistisch betrachtet hat das durchschnittliche deutsche Auto eine Fahrleistung von um die 40 Kilometer am Tag. Das wäre auch mit einem Elektroauto kein Problem. Der Haken an der Sache: die Statistik. Der eine fährt nur alle paar Tage, dafür aber lange Strecken. Auch wer nur einen kurzen Weg zur Arbeit oder zum Supermarkt hat, will vielleicht doch mal einen Ausflug machen oder in den Urlaub fahren. Dafür soll man dann ein Auto kaufen, das deutlich teurer ist und dann, wenn's drauf ankommt, einfach nicht taugt? Da hilft es auch nicht viel, dass die Fahrzeugwartung einfacher ist und regelmäßige Ölwechsel entfallen. Selbst Elektroautofans geben mitunter zu: "Für den Fall, dass ich wirklich mal auf ein Auto angewiesen bin, hab ich noch eins mit Verbrennungsmotor."

Der aufstrebende US-Elektroautobauer Tesla von Tech-Wunderkind Elon Musk behauptet, viele Probleme gelöst zu haben. Reichweiten von 500 Kilometern mit einer Batterieladung seien möglich, hinzu kommt ein Netz von Ladestationen. Ja, die Teslas funktionieren, und für das neue, günstigere und massentauglichere Modell liegen laut Tesla schon 400.000 Vorbestellungen vor. Beeindruckend. Ja, die Autoschmiede aus dem Silicon Valley hat die Nase vorn. Praxistauglich sind sie. Doch halt: Wie ist das mit der Reichweite? Auf der Homepage des Herstellers kann man das testen. Unter Idealbedingungen, 20 Grad Außentemperatur, konstant 100 Stundenkilometer und ohne Klimaanlage, schafft das Model S je nach Variante zwischen 421 und 512 Kilometer. Wer dann per Regler mitteleuropäische Wintertemperaturen eingibt, sagen wir minus zehn Grad, auf der Autobahn auch mal 120 Sachen fahren will und bei der Kälte die Heizung einschaltet, schafft noch zwischen 275 und 336 Kilometer. Wie gesagt: bei Idealbedingungen. Zusätzliches Gewicht durch Reisegepäck oder Mitfahrer, Scheibenwischer, Radio, Heckscheibenheizung, das Handy, das an der Ladebuchse hängt ... jeder einzelne Verbraucher reduziert die Reichweite gewaltig. Und Stop-and-go-Verkehr in der Stadt, kurvenreiche Strecken oder Berge sollte man dann ebenfalls besser meiden. Das alles gilt übrigens - das muss der Fairness halber erwähnt sein - nicht nur für die schicken Tesla-Modelle, deren Reichweite ja noch deutlich über der anderer Hersteller liegt, sondern für so ziemlich die gesamte Stromer-Flotte.

Tesla-Fahrer werden das anders sehen und vom fast geräuschlosen, flotten Gleiten schwärmen. Sollen sie auch. Bitte schön. Aber Massentauglichkeit bemisst sich eben an anderen Parametern. Das sehen offenbar auch viele Käufer so. Im vergangenen Jahr surrten rund 25.000 reine E-Autos über die deutschen Straßen, hinzu kamen knapp über 130.000 Hybride - und das bei mehr als 45 Millionen zugelassener Pkw. Die sogenannte "Umweltprämie" mag dazu beitragen, dass der eine oder andere Zweitwagen künftig mit Elektroantrieb ausgestattet sein wird. Dem Ziel, vom Verbrauch fossiler Energieträger im Verkehr wegzukommen und den Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen deutlich zu reduzieren, wird man damit kaum nennenswert näherkommen. Muss man so etwas dann wirklich noch mit einer "Umweltprämie" aus Steuergeld subventionieren?

Im Gegensatz zu Pedelecs, mit Elektromotor ausgestatteten Fahrrädern, die gerade Senioren erlauben, auch bergige Strecken bewältigen zu können und ihnen neue Mobilitätsmöglichkeiten eröffnen, lösen Elektroautos keine Probleme. Schlimmer noch: Die derzeitige E-Auto-Versessenheit könnte in eine Sackgasse führen. Denn andere, vielversprechendere Antriebskonzepte bleiben auf der Strecke.

Von der Brennstoffzelle etwa redet derzeit kaum noch jemand. Und vom Antrieb mit Bioethanol spricht hierzulande auch fast niemand mehr. Zugegeben, auch bei diesen Alternativen ergeben sich Probleme, die Entwicklung ist teilweise noch nicht so weit. Der Weisheit letzter Schluss sind auch sie womöglich nicht. Aber zu glauben, alleine mit Elektroantrieben die Energie-, Klima- und Mobilitätsprobleme der Zukunft lösen zu können, wäre ein Holzweg.