Landshut

Wegen zu vieler Ermittlungspannen: Prozess um angebliche Vergewaltigung vorerst eingestellt


Wegen zahlreicher Ermittlungspannen der Kripo musste der Prozess um eine angebliche Vergewaltigung in Landshut vorerst eingestellt werden. (Symbolbild)

Wegen zahlreicher Ermittlungspannen der Kripo musste der Prozess um eine angebliche Vergewaltigung in Landshut vorerst eingestellt werden. (Symbolbild)

Es sind durchaus brisante Mitteilungen. "Gute Nacht und süße Träume" wünscht die 19-Jährige da etwa ihrem Geliebten - obwohl er sie Monate zuvor vergewaltigt haben soll. Ein andermal macht sie ihm Vorwürfe wegen einer angeblichen Beziehung zu einer Prostituierten: "Mich, Deine Ehefrau und die Kinder hast Du aufgegeben."

Diverse weitere SMS legen den Schluss nahe, dass die heute 25-Jährige ihren Geliebten 2012 aus Eifersucht angezeigt haben könnte. Chaotische Ermittlungen der Kripo, bei denen etwa die eingangs erwähnten SMS nicht übersetzt worden sind, haben dazu geführt, dass diese Woche dennoch der Prozess gegen den 49-jährigen Mann wegen schwerer Vergewaltigung vor der vierten Strafkammer des Landgerichts eröffnet worden ist. Nach einem mehrstündigen juristischen Scharmützel wurde das Verfahren auf Antrag der Verteidigung aber vorerst wieder eingestellt. Auch die Kammer unter Vorsitzendem Richter Oliver Dopheide war schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass im Fall der angeblichen Vergewaltigung dringend Nachermittlungen nötig sind.

Erst verschleppt, dann vergewaltigt?

Schon der Weg bis zum Prozessauftakt erwies sich als äußerst holprig. Bereits 2011 hatte die Kosovarin gegen ihren Landsmann Anzeige erstattet, weil sie von ihm "verschleppt" worden war. Die Ermittlungen wurden eingestellt; da gab die Auszubildende plötzlich an, von ihrem Landsmann vergewaltigt worden zu sein. Im März 2012 kam der Mann aufgrund dieser Anschuldigung in Untersuchungshaft. Nachdem die erste Strafkammer des Landgerichts sich nicht von der Beweislage überzeugen konnte und eine Anklage nicht zuließ, kam der Maurer aber nach einem halben Jahr Gefängnis wieder auf freien Fuß. Die Staatsanwaltschaft überarbeitete die Anklage. Schließlich war die vierte Strafkammer für den Fall zuständig, die angesichts einer psychischen Erkrankung der jungen Frau ein Glaubwürdigkeitsgutachten für notwendig hielt. Die Erstellung dieses Gutachtens nahm wiederum etliche Zeit in Anspruch, so dass die Prozessbeteiligten schließlich viereinhalb Jahre nach der angeblichen Vergewaltigung nun erst aufeinander trafen.

Ermittlungspannen und keine vollständige Akteneinsicht

Die von Staatsanwalt Dr. Josef Weiß vertretende, überarbeitete Anklage legt dem Familienvater zur Last, am 26. Juli 2011 die Auszubildende auf dem Weg zum Bahnhof in Geisenhausen abgepasst und aufgefordert zu haben, in sein Auto einzusteigen. Dann soll er mit ihr nach Landshut zu einer Wohnung gefahren sein, wo er sie zwei Mal vergewaltigt haben soll - wobei er stets deutlich sichtbar ein sogenanntes Rambo-Messer bei sich gehabt habe. Der 49-Jährige machte zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft keine Angaben. Seine Verteidiger übernahmen für die folgenden Stunden das Wort. Zunächst beanstandeten Hubertus Werner und Martin Scharl die Anwesenheit von Psychologin Dr. Sandra Loohs im Gerichtssaal, die das Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt hatte. Eine aussagepsychologische Beurteilung sei "ureigenste" Aufgabe des Gerichts, das über eine entsprechende Sachkunde verfüge. Die Kammer pflichtete dem bei, kam aber zu dem Ergebnis, dass sie sich durchaus einer "sachverständigen Hilfe" bedienen dürfe, zumal die junge Frau mittlerweile in psychiatrischer Behandlung sei. Der Antrag der Verteidigung, die Sachverständige Loohs müsse sich bis zu ihrer Zeugenaussage aus dem Gerichtssaal entfernen, wurde dementsprechend abgelehnt.

Den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens konnte die Kammer nach langem hin und her dann aber nicht ablehnen. Die Verteidigung hatte massive Ermittlungspannen der Kripo ins Feld geführt, die unter anderem dazu geführt hätten, dass die Verteidigung in ihren Möglichkeiten momentan beschränkt sei. Man habe keine vollständige Akteneinsicht gehabt. Und: "Uns wurde suggeriert, dass der gesamte Nachrichtenaustausch vollständig übersetzt worden ist." Erst wenige Tage vor Prozessbeginn habe man festgestellt, dass dies mitnichten der Fall sei. Auch die Kammer sah "nicht unerhebliche Lücken" bei der Auswertung der Datenträger, die durchaus Hinweise auf ein Eifersuchtsmotiv geben könnten. Zudem gibt es da noch ein sogenanntes Kuss-Video. Wie Richter Dopheide sagte, sei dies den Prozessbeteiligten bisher lediglich als Stummfilm vorgelegen. Laut Kripo gibt es dieses nun auch mit Ton; die entsprechende CD enthalte noch weitere relevante Taten. Man darf auf die Neuauflage des Prozesses also durchaus gespannt sein.