Landshut/Simbach am Inn

Schleuser vor Gericht verurteilt: "Ich schäme mich zutiefst"


Ein Schleuser wurde am Mittwoch vor Gericht zu einer knapp zweijährigen Haftstrafe verurteilt.

Ein Schleuser wurde am Mittwoch vor Gericht zu einer knapp zweijährigen Haftstrafe verurteilt.

Weil er dringend Geld brauchte, wurde ein Mann aus Rumänien zum Schleuser. Doch an der deutschen Grenze war für ihn Endstation. Nun wurde er vor Gericht verurteilt.

Exakt 8,28 Quadratmeter standen ihnen zur Verfügung. 0,26 Quadratmeter pro Person. 32 Menschen in einem Mercedes Sprinter. "Es war eng. Definitiv", sagte einer der Polizeibeamten, die das Fahrzeug am 23. Juli am Grenzübergang Simbach am Inn aufgehalten hatten, nachdem es bereits 540 Kilometer ohne Pause zurückgelegt hatte. Der rumänische Fahrer wurde am Mittwoch vom Schöffengericht am Amtsgericht wegen Einschleusen von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt. "Ich schäme mich dafür, was ich getan habe", hatte der 30-Jährige sichtlich angeschlagen in seinem Schlusswort gesagt. Staatsanwalt Thomas Rauscher hatte ihn in seinem Plädoyer als "kleinstes Glied in der Kette" bezeichnet, "das das größte Risiko auf sich nimmt."

Die Fahrt hatte in Ungarn begonnen. Laut Anklage befanden sich die 32 Personen, darunter elf Minderjährige, während der gesamten Fahrt auf der Ladefläche, wobei keine Möglichkeit bestand, sich anzugurten. Die Flüchtlinge aus Bangladesch, Afghanistan und dem Irak, die allesamt bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet nicht im Besitz einer erforderlichen Einreise- beziehungsweise Aufenthaltserlaubnis waren, wurden während der Fahrt herumgeschleudert; zugleich konnten sie sich kaum bewegen. Der Angeklagte fuhr die Strecke von Budapest ohne Pause für die Geschleusten. Lediglich einmal hielt er zum Tanken an, wofür er von seinem Auftraggeber 200 Euro erhalten hatte. Der 30-Jährige erkundigte sich aber auch bei dieser Gelegenheit nicht nach dem Befinden der Geschleusten, die den Sprinter an der Tankstelle nicht verlassen durften. Er habe die Menschen tatsächlich erst in Deutschland zum ersten Mal gesehen, als er der Polizei die Tür des Sprinters aufgesperrt habe, sagte der Rumäne vor Gericht.

Eine Flucht aus Afghanistan koste in der Regel 8.000 bis 9.000 Euro insgesamt, hatte der Polizist vor Gericht berichtet. Die Flüchtlinge würden dabei häufig von einem Vermittler berichten, dem sie die komplette Summe bereits vor Reiseantritt gegeben hätten. Für die Schleuserfahrt nach Deutschland waren dem rumänischen Familienvater 600 Euro versprochen worden. Der monatliche Durchschnittslohn in seiner Gegend seien 200 bis 300 Euro, so der Angeklagte. Die vergangenen beiden Jahre habe er seine Familie und sich mit einer Schafherde über Wasser gehalten. Nebenbei habe er als Tätowierer gearbeitet. Eines Tages habe ein Mann aus seinem Heimatdorf angerufen und um einen Termin gebeten. "Als er dann bei mir war, war von einer Tätowierung aber nicht mehr die Rede." Der Bekannte habe ihn gefragt, ob er sich mit einer Transportfahrt nach Deutschland gutes Geld verdienen wolle. Der Mann habe ihm versichert, dass den Menschen nichts passieren würde, da sie alle ungarische Pässe hätten. "Das ist mir schon komisch vorgekommen", sagte der 30-Jährige. Er habe dann zunächst auch noch gezögert, das Angebot anzunehmen.

Der Bekannte aus dem Heimatdorf, der dem Angeklagten zufolge mittlerweile in Budapest im Gefängnis sitzen soll, hat "das Ganze offensichtlich im großen Stil gemacht", so auch die Einschätzung von Richter Alfred Zimmerer. So gab es nach Aktenlage bereits im März und April erste Verhaftungen von Männern aus der Gegend, aus der der Angeklagte stammt. In Budapest seien mit ihm vier weitere Sprinter Richtung Deutschland losgefahren, berichtete der Angeklagte. Der Handyauswertung zufolge telefonierte der Rumäne während der Fahrt rund 40 Mal mit seinem "Boss". Dieser habe ihm Instruktionen gegeben und sich erkundigt, ob alles gut laufe, so der 30-Jährige. Zimmerer wollte die Akte mit der Handyauswertung schon weglegen, als er sichtlich stutzte. Vier Tage vorher habe es ebenso viele Telefonate zwischen dem Angeklagten und seinem Auftraggeber gegeben. "Kann es sein, dass Sie ein paar Tage zuvor auch schon so eine Fahrt gemacht haben?" Der 30-Jährige nickte schuldbewusst mit dem Kopf. Die Aussicht auf das Geld sei zu verlockend gewesen, hatte er zuvor gesagt.

In der Urteilsbegründung - die zweite Fahrt blieb außen vor - betonte Zimmerer mehrmals, dass das Schöffengericht vor allem aufgrund des "positiven persönlichen Eindrucks" des Angeklagten mit dem Urteil am unteren Rand des Strafrahmens geblieben ist. Selbst Verteidiger Christian Temporale hatte mit zweieinhalb Jahren eine höhere Haftstrafe beantragt, Staatsanwalt Rauscher hatte drei Jahre und drei Monate für tat- und schuldangemessen angesehen. Leute wie der Angeklagte seien keine Verbrecher, so das Fazit aller Verfahrensbeteiligten. Es seien Leute, die Geld brauchen und einen vermeintlich leichten Job annehmen, sagte Zimmerer. In Wirklichkeit würden sie das ganze Risiko für sich und die Menschen tragen, die sie transportieren: So auch der Angeklagte: "Und jetzt muss er die Verantwortung tragen." Er schäme sich, sagte dieser in seinem Schlusswort. "Ich habe im Fernsehen gesehen diese Leute...". Dann versagte ihm die Stimme.