Landkreis Landshut

Nach schwerem Unfall: Junger Landshuter wird mit THC behandelt - die Besserung ist erstaunlich


Seit Februar ist Magnus F. im Besitz einer THC-Einzelerlaubnis der Bundesopiumstelle. (Foto: Sebastian Geiger)

Seit Februar ist Magnus F. im Besitz einer THC-Einzelerlaubnis der Bundesopiumstelle. (Foto: Sebastian Geiger)

Von Uli Karg

Magnus F. atmet tief durch und sagt: "Bitte entschuldigen Sie, ich muss aufpassen, nicht euphorisch zu werden." Er erzählt gerade seine Patientengeschichte und davon, wie es kam, dass sein Fall zu einem bundesweiten Ausnahmefall wurde. Dank einer, wie er es nennt, "gigantischen" Wendung. Die Leidenszeit, die der 34-Jährige vor dieser Wendung durchmachte, begann vor drei Jahren. An einem Donnerstagabend im Sommer 2012 stieg Magnus F. auf seinen Roller, um von der Arbeit nach Hause zu fahren. Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Ein Unfall verursachte ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Zehn Tage lang befand sich F. im künstlichen Koma. Seine rechte Körperseite war zunächst gelähmt, er hatte Sprach- und Gleichgewichtsprobleme. Reha-Maßnahmen, konventionelle Medikamente. Die Lähmung verschwand, die Schmerzen blieben.

Als er die Medikamente unter ärztlicher Aufsicht absetzte, hatte er entsetzliche Entzugsprobleme, F. nennt sie heute "Absetz-Psychose". Er wurde aggressiv, hatte einen Ruhepuls von 170, der rechte Arm hörte nicht auf zu zucken. Als zur weiteren Behandlung Morphine und Opiate in Betracht gezogen wurden, verweigerte F. die Gefolgschaft. Als Alternative schlugen die Ärzte schließlich Dronabinol vor - teilsynthetisch hergestelltes Tetrahydrocannabinol, kurz: THC. THC fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz und kommt in natürlicher Form in Hanf, beziehungsweise Cannabis vor, aus dem auch Haschisch und Marihuana gewonnen werden.

F. probierte Dronabinol zunächst stationär aus, dann zuhause. Es war das erste Medikament, das ihm Linderung verschaffte. Das Problem: Bei seiner Größe und seinem Gewicht hätte er eine monatliche Menge im Wert von 1.000 Euro benötigt - und Dronabinol wird noch nicht als neue Behandlungsmethode bewertet. Im November 2014 teilt die Krankenkasse F. schließlich mit, dass sie die Behandlungskosten nicht übernehmen könne. Allerdings, so das Schreiben weiter, gebe es eine kostengünstige legale Alternative: Cannabisblütenextrakt. Dafür könne eine Einzelerlaubnis bei der Bundesopiumstelle in Bonn beantragt werden. Die Kosten der benötigten Menge an natürlichem THC liegen bei einem Viertel des Dronabinol-Preises.

F. ist baff. Und zögert. "Ich habe diese Einzelerlaubnis nicht gleich beantragt, weil ich nicht als Kiffer abgestempelt werden wollte." Mit Drogen, sagt F., hatte er nie was am Hut. Hippieske Kifferfolklore und "Legalize"-Geschrei sind ihm fremd. Im Januar dieses Jahres wägt er ein letztes Mal zwischen möglicher Stigmatisierung und einem schmerzfreien Alltag ab. Dann macht er sich auf den Weg zu seinem Hausarzt. Magnus F. darf sich seitdem, mit Personalausweis und Genehmigungsschreiben, eigens für ihn gelieferte medizinische Marihuanablüten aus der Apotheke holen. Zwölf Gramm pro Monat. THC hat ihm wieder zu einem guten Schlaf und einem schmerzfreien Tag verholfen. Und zu einem Arm, der nicht mehr zuckt.

Mittlerweile wird F., der wieder lachen und schlafen kann, von den behandelnden Ärzten am Zentrum für Schmerztherapie in Vilsbiburg eine "gute Besserung" bestätigt. "Es scheint in den Blüten noch weitere Wirkstoffe zu geben, die wohl noch nicht ausreichend erforscht sind", sagt einer der Ärzte. Warum dem so sei, könne er nicht sagen - "da müssen Sie bei Pharmaindustrie und Politik nachfragen". Magnus F. jedenfalls ist davon überzeugt, dass sich etwas ändern muss: "THC sollte für medizinische Zwecke sofort freigegeben werden. Alles andere ist unterlassene Hilfeleistung von staatlicher Seite."

F.s Krankenkasse hat sich mittlerweile bereit erklärt, die Behandlungskosten zu übernehmen. Deutschlandweit, so seine Ärzte, gibt es nur ein Dutzend vergleichbarer Fälle, wo die Kasse die Kosten der Behandlung ebenfalls übernimmt.