Landkreis Landshut

Hochzeiter gesucht


Wer als Edeldame im mittelalterlichen Kostüm am Hochzeitszug teilnehmen möchte, muss erst den Besetzungsausschuss überzeugen. (Archivfoto/jv)

Wer als Edeldame im mittelalterlichen Kostüm am Hochzeitszug teilnehmen möchte, muss erst den Besetzungsausschuss überzeugen. (Archivfoto/jv)

Von Johannes Viertlböck

"Im Sommer sehen wir uns hoffentlich alle im Kostüm wieder." Mit diesen Worten verabschiedet Stefan Härtl, Vorsitzender des Besetzungsausschusses für die Landshuter Hochzeit, am Samstagmittag drei junge Frauen aus dem Saal des Zeughauses an der Wittstraße. Dort findet seit diesem Wochenende und noch bis tief in den Februar hinein die wahrscheinlich größte Castingshow Niederbayerns statt. Die Förderer sind in den nächsten Wochen auf der Suche nach Landshutern, die ab Juni in die Gewänder von Edeldamen und Junkern, Pagen und fahrendem Volk schlüpfen möchten. Der Andrang ist riesig: "Diesmal haben wir exakt 2224 Bewerber", sagt Härtl. Weil viele Gruppen, beispielsweise Reiter, Musiker und Gaukler, feste Mitglieder haben, seien jedoch nur gut 900 Rollen neu zu besetzen.

Dementsprechend streng sind die Auswahlkriterien des fünfköpfigen Besetzungsausschusses, dem sich sämtliche angehende Hochzeiter vorstellen müssen. An diesem kalten Samstag sind mehr als 160 Mädchen und Frauen an der Reihe, die im Sommer als tanzende Edeldamen an der Landshuter Hochzeit teilnehmen wollen. Nur acht werden ihre Traumrolle bekommen, die unter anderem einen Platz im Tanzspiel garantiert. Und eine Chance hat nur, wer neben den Förderern auch Lieven Baert überzeugt. Der auf historische Tänze spezialisierte belgische Choreograph und Professor zeichnet zusammen mit seiner Assistentin Alexandra Mirlach auch heuer für das Tanzspiel verantwortlich. Er hat deshalb laut Härtl bei der Besetzung der tanzenden Rollen das letzte Wort - "sofern die allgemeinen Kriterien erfüllt sind".

Zu den Voraussetzungen für alle Hochzeiter zählt die richtige Haarlänge. Für Mädchen und Frauen bis zum Alter von 23 Jahren, also auch für Edeldamen, verlangen die Förderer getreu der mittelalterlichen Gepflogenheiten schulterblattbedeckende Haare. Ehe die Bewerberinnen jeweils in Dreiergruppen vor den Besetzungsausschuss treten dürfen, wird deshalb bei jeder das Maßband angelegt und die Haarlänge bestimmt. Auch die Körpergröße - gefordert sind 1,65 bis 1,75 Meter - wird gemessen und notiert.


Viele Bewerberinnen haben Erfahrung als Hochzeiter

Weiter geht es in den kleinen Warteraum. Dort herrscht trotz gewisser Nervosität eine insgesamt recht gelöste Stimmung. Viele der Bewerberinnen kennen sich, die meisten haben bereits Hochzeitserfahrung. So zum Beispiel Lena Hacker. Die heute 22-Jährige durfte 1997 als Mitglied der Kindergruppe erstmals in ein Kostüm schlüpfen. "Ich war begeistert und habe mich seitdem immer wieder für eine Rolle beworben." Zuletzt war die Lehramtsstudentin 2009 als Edeldame dabei. Tanzen durfte sie damals nicht - nun nimmt sie einen neuen Anlauf. Wenn es wieder nicht mit einer tanzenden Rolle klappen sollte, wäre das aber kein Problem, versicherte sie. "Das wäre dann gut fürs Studium", sagt sie mit Blick auf die vielen Proben und Auftritte, die tanzende Edeldamen absolvieren müssen. Zumindest als "normale" Edeldame will Hacker indes auf jeden Fall dabei sein. "Die Stimmung auf dem Zehrplatz ist einmalig. Da möchte ich einfach mitmachen und nicht nur zuschauen." Begeisterte Hochzeiter mit reichlich Erfahrung sind auch Maria Hofmann sowie Anna und Julia Holzner. Ihren Termin vor dem Bewerbungsausschuss dürfen am Samstag einige Medienvertreter mitverfolgen. Der Schwerpunkt der rund zehnminütigen Vorstellung liegt auf den Tanzproben. Lieven Baert und Alexandra Mirlach führen den Bewerberinnen drei kurze Schrittfolgen vor, die diese dann nachtanzen. Dieser erste Eindruck muss dem Belgier genügen, um das Potenzial der jungen Frauen zu beurteilen. Die Technik sei jedoch nicht das einzige Kriterium, sagt Baert. "Wichtig sind auch die Ausstrahlung, die Körperspannung und das Rhythmusgefühl."

Wer mitmachen darf, erhält Post von den Förderern


Die Anforderungen sind hoch. Daran lässt Baert keinen Zweifel. "Was die historischen Tänze angeht, ist das 15. Jahrhundert, in dem auch die Landshuter Hochzeit gefeiert wurde, die schwierigste Epoche." Die Darsteller müssen sich deshalb auf viele Proben einstellen. "Es reicht nicht, nur grazil mit einer Schleppe herumzulaufen", sagt Baert, der den nächsten Monaten voller Vorfreude entgegensieht. "Es macht mir Spaß, mit den Darstellern zu arbeiten und gemeinsam am Tanzspiel zu basteln." Ob Maria Hofmann, Anna und Julia Holzner mitbasteln dürfen, das bleibt zunächst das Geheimnis von Lieven Baert und dem Besetzungsausschuss. Gewissheit werden alle Bewerber erst haben, wenn sie eine schriftliche Zusage der Förderer erhalten. Die Briefe werden laut Stefan Härtl für Inhaber tanzender Rollen voraussichtlich Ende Februar versandt, alle anderen müssen sich bis Ende März gedulden.

Bis dahin wird auch die spannendste Personalfrage geklärt: die nach dem Brautpaar. Gut möglich, dass die künftige polnische Königstochter Jadwiga am Samstag vor den Besetzungsausschuss trat. "Meistens wird die Braut aus den tanzenden Edeldamen ausgewählt", sagt Härtl. Was den Bräutigam angeht, schaue man sich zunächst bei den Junkern um. Wobei Ausnahmen jeweils die Regel bestätigen. Klar ist jedenfalls: Als Jadwiga oder Herzog Georg kann man sich nicht bewerben. Diese Aufgaben vergibt die gewählte Vorstandschaft der Förderer.

Ehe es soweit ist, werden jedoch erst alle anderen Rollen verteilt. Wer zum Zug kommen möchte, der muss im Zweifelsfall auch auf das Glück vertrauen. "Bei gleicher Bewertung der Bewerber entscheidet das Los", betont Härtl. "Das ist letztlich die fairste Lösung."