Landshut

Baby erdrosselt: Frau (23) wegen Totschlags vor Gericht


Weil sie ihr Kind unmittelbar nach der Geburt erdrosselte, steht eine 23-jährige Frau in Landshut vor Gericht.

Weil sie ihr Kind unmittelbar nach der Geburt erdrosselte, steht eine 23-jährige Frau in Landshut vor Gericht.

Svenja R. wurde früh Mutter und fühlte sich deswegen als schwarzes Schaf der Familie. Als sie erneut schwanger wurde, tötete sie das Baby nach der Geburt. Nun steht sie deswegen vor Gericht.

Mit 16 ist Svenja R. (Name von der Redaktion geändert) zum ersten Mal Mutter geworden. Während sie unmittelbar nach der Geburt noch über die Möglichkeit einer Adoption nachdachte, hat sie heute ein inniges Verhältnis zu ihrem Kind. Die 23-Jährige bezeichnet es als das Wichtigste in ihrem Leben. "Das Schlimmste momentan für mich ist, von ihm getrennt zu sein." Svenja R. sitzt seit 12. November vergangenen Jahres in Untersuchungshaft: Eine Woche zuvor hatte sie ihr zweites Kind zur Welt gebracht und erdrosselt. Seit Donnerstag muss sich Svenja R. wegen Totschlags vor der ersten Strafkammer des Landgerichts als Schwurgericht verantworten.

Der von Staatsanwalt Achim Kinsky vertretenen Anklage zufolge brachte Svenja R. in der Nacht des 6. November zwischen zwei und fünf Uhr im Badezimmer des elterlichen Hauses allein eine Tochter zur Welt. Vater, Schwester und Sohn schliefen; die Mutter war verreist. Laut Anklage war das Kind normal entwickelt und gesund, was der 23-Jährigen auch bewusst war. Einige Zeit nach der Geburt nahm sie eine Kordel aus ihrem Sweatshirt, legte diese um den Hals ihrer Tochter, zog fest daran und erdrosselte so das Neugeborene. Dann nahm R. einen Müllsack, steckte das tote Kind nebst Placenta mit Nabelschnur hinein und säuberte das Bad und die dortigen Teppiche von den Spuren der Geburt und der Tat. Den Müllsack legte sie schließlich im Kofferraum ihres Autos ab.

"Unendliche, dauerhafte Schmerzen"

Verteidiger Hubertus Werner hatte vorab erklärt, dass seine Mandantin "keine konkreten Erinnerungen mehr an das Geschehen" hat. Sie sei in dieser Nacht in das Badezimmer, so Svenja R. selbst unter Tränen, weil sie gedacht habe, sie müsse auf die Toilette. Stattdessen hätten sie dort "unendliche, dauerhafte Schmerzen" übermannt. Sie sei so darauf fixiert gewesen, dass sie "nichts drum herum" mitgekriegt habe. Erst auf dem Weg zur Arbeit mit dem toten Kind im Kofferraum habe sie die Lage realisiert. Nach der Festnahme waren die Angaben von Svenja R. der Polizei gegenüber noch detaillierter. Sie habe das Baby nicht schreien gehört; sie habe es dann mit den Handtüchern weggeschoben, hatte sie unter anderem angegeben. Sie habe damals schon betont, dass sie es nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit sagen könne, so die 23-Jährige am Donnerstag. Aber die Polizisten hätten sie stundenlang mit Fragen malträtiert.

Sie sei trotz Pille schwanger geworden, sagte R. Als ihre Periode ausgeblieben sei, sei die Beziehung zu dem Mann bereits wieder beendet gewesen. Dass sie wieder Mutter wird, habe sie verdrängt. Sie habe sich nur überlegt, sie gehe ins Krankenhaus, wenn es so weit sei; "dort helfen sie mir schon weiter". Anvertraut habe sie sich niemandem. Einmal habe ihre Mutter sie auf eine mögliche Schwangerschaft angesprochen, doch sie habe das verneint. Sie habe sich als "schwarzes Schaf der Familie" gefühlt, so R. Immer habe sie das Gefühl gehabt, sie bringe nichts auf die Reihe; dazu die Vorwürfe aus der ersten Schwangerschaft, ein cholerischer Vater und die Eifersucht auf eine Schwester, die im Gegensatz zu ihr Abitur gemacht, ein Studium begonnen und eine feste Beziehung hatte.

Svenja R. fühlte sich von Eltern zurückgesetzt

Die Schwester hingegen verneinte vor Gericht eine ungleiche Behandlung durch die Eltern. Sie hatte schon den Eindruck, dass sich ihre Tochter zurückgesetzt gefühlt hat, sagte die Mutter. "Aber das war unbegründet." Sie sei sogar stolz auf ihre Tochter gewesen, wie diese den Alltag mit Kind und Berufstätigkeit gemeistert habe. "Aber gesagt habe ich es ihr nie", so die 50-Jährige, und es war für alle Prozessbeteiligten offensichtlich, dass sie heute darunter leidet, es nicht getan zu haben. Ihre Tochter habe ja auch immer alles mit sich selbst ausgemacht. Der Vater räumte ein, seine Tochter möglicherweise doch mal mit der jüngeren Schwester verglichen zu haben bezüglich Abitur, Studium und Partnerschaft. Die erste Schwangerschaft und dass seine Tochter so früh ein Kind bekommen habe, habe man ja auch erst einmal verdauen müssen. Auch habe er ihr einmal gesagt, wenn sie wieder schwanger werde, könne sie nicht mehr mit der Unterstützung der Familie rechnen. "Aber das war doch alles nicht so gemeint." Man sei sogar von Anfang an gegen eine Adoption gewesen, so der 52-Jährige. "Ein Kind gehört zu seiner Mama", hätten ihre Eltern gesagt, bestätigte die Schwester.

Am Martinsfest im Kindergarten habe sie "so ein Gefühl" gehabt, sagte die Mutter. Ihre Tochter und ihr Enkel seien "ein Herz und eine Seele von Anfang an" gewesen. Doch an diesem Nachmittag sei ihre Tochter blass gewesen, ungewöhnlich ernst, habe kein Interesse an den Aktivitäten des Enkels gezeigt. Zuhause habe sie dann nach einem Hinweis gesucht, warum es der Tochter schlecht gehe. Schließlich fand die 50-Jährige das tote Baby in einem Müllsack im Auto ihrer Tochter. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Markus Kring, warum sie sich denn auf dem Martinsfest nicht einfach nach dem Befinden ihrer Tochter erkundigt habe, meinte sie: "Hätte man machen können, habe ich aber nicht."

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.