Interview

Olaf Scholz (SPD): "Die AfD drückt nur schlechte Laune aus"


Olaf Scholz steigt am Politischen Aschermittwoch für die SPD in Vilshofen aufs Podest.

Olaf Scholz steigt am Politischen Aschermittwoch für die SPD in Vilshofen aufs Podest.

Das Thema für den Politischen Aschermittwoch ist gesetzt: Ob in Passau, Deggendorf, Landshut oder anderenorts, die Parteipolitiker werden sich nächste Woche vor allem an der Flüchtlingskrise abarbeiten müssen. Für die SPD in Vilshofen steigt diesmal Olaf Scholz aufs Podest.

Der Erste Bürgermeister von Hamburg und stellvertretende Vorsitzende seiner Partei setzt angesichts der massiven Zuwanderung nach Deutschland auf pragmatische Lösungen. Und auf eine Europäische Union, in der alle Verantwortung übernehmen, wie er der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung vorab im Interview erklärte.

Herr Scholz, bei den anstehenden Landtagswahlen droht der SPD ein Desaster. Haben Sie noch Hoffnung für Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg?

Scholz: Ich bin sogar optimistisch. Ich habe mich an beiden Landtagswahlkämpfen selber beteiligt und dabei ganz viel Zustimmung für die SPD wahrgenommen. Malu Dreyer ist eine hervorragende Ministerpräsidentin, in allen Umfragen wünschen sich die Rheinland-Pfälzer, dass sie im Amt bleibt. Es spricht einiges dafür, dass sie das am Wahltag auch möglich machen. Nils Schmid hat als Minister in Baden-Württemberg eine großartige Arbeit geleistet, die allseits anerkannt wird - und Leistung soll doch zählen!

Die Wahlen am 13. März könnten auch zur Abstimmung über die deutsche Flüchtlingspolitik werden. Was wird die Antwort auf den absehbaren Erfolg der AfD sein? Grenzkontrollen und Obergrenze?

Scholz: Ich sehe das nicht so, dass es bei den Landtagswahlen vor allem um Flüchtlingspolitik geht. Das ist ein Thema, das uns alle bewegt und über das natürlich auch im Wahlkampf gesprochen wird. Aber in den Ländern geht es um viel mehr, um gute Bildung, um gute Infrastruktur, um Wohnungsbau, um Wirtschaftspolitik und um genügend Arbeitsplätze. Das sind alles Themen, die für die Bürger eine Rolle spielen.

Die Umfragewerte der AfD können Sie trotzdem nicht kaltlassen.

Scholz: Für mich ist die AfD eine Partei, die nur schlechte Laune ausdrückt. Das allein ist allerdings noch kein Projekt, mit dem man in dieser Republik irgendetwas bewirken kann. Und ich gehe davon aus, dass das früher oder später alle so sehen.

Mit welchen Projekten lässt sich in der Flüchtlingspolitik denn etwas bewirken? Mit einer Obergrenze oder mit der viel beschworenen europäischen Lösung?

Scholz: Wir sind ein wichtiger Teil Europas. Deutschland hat seine Einheit überhaupt nur erreicht, weil wir Mitglied der Europäischen Union sind. Deshalb sind wir auch dafür zuständig, dass unser Europa gut funktioniert, selbst wenn wir uns über manches ärgern. Es ist doch ganz klar: Eine Million, zwei Millionen, drei Millionen Flüchtlinge, verteilt auf insgesamt 500 Millionen EU-Inländer, wären kein großes Problem. Wenn aber ein, zwei oder drei Staaten die Aufgabe alleine schultern müssen, dann ist das sehr schwierig. Deshalb geht es darum, dass alle Verantwortung übernehmen. Wir müssen unsere gemeinsamen Außengrenzen sichern und dafür sorgen, dass wir über die sogenannten Hotspots, also Grenzübergangseinrichtungen für Flüchtlinge, diejenigen in die EU lassen und verteilen, die einen tatsächlichen Fluchtgrund haben - und die anderen gleich zurückschicken. Und wir müssen die Länder unterstützen, die zuallererst und noch viel mehr Flüchtlinge aufgenommen haben, als das zum Beispiel Deutschland tut - nämlich Jordanien, den Libanon und die Türkei.

Diese europäische Lösung lässt allerdings weiter auf sich warten. Warum sollte Deutschland deshalb nicht - wie von der CSU gefordert - mit einer Schließung der nationalen Grenzen den Druck auf die Gemeinschaft erhöhen?

Scholz: Wir dürfen nicht vergessen: Der Krieg auf dem Balkan liegt noch gar nicht so lange zurück. Es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass die sehr kleinen Balkanländer nicht überfordert und in der Folge destabilisiert werden. Deshalb muss Europa gemeinsame Strategien entwickeln und die haben eben etwas mit unseren gemeinsamen europäischen Grenzen zu tun.

Die Menschen in Deutschland zeigen angesichts des Flüchtlingszustroms viel Hilfsbereitschaft, aber auch Sorgen und Ängste machen sich breit. Wie viel Zuwanderung verträgt unser Land auf Dauer?

Scholz: Beides sind zunächst einmal zutiefst humane Regungen. Die Flüchtlingshilfe in Deutschland beeindruckt viele Menschen. Darauf kann unser Land stolz sein. Es ist aber auch normal, dass man sich Sorgen macht. Deshalb geht es darum, dass wir angesichts der sehr plötzlich angestiegenen Zahl der Flüchtlinge im vergangenen Sommer Stück für Stück wieder die Kontrolle über die Situation bekommen. Das ist mittlerweile auch durch eine ganze Reihe von Gesetzen geschehen, die weitgehend im überparteilichen Konsens zustande gekommen sind. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen.

Nicht zuletzt wegen der Ereignisse in der Silvesternacht scheint die Stimmung zu kippen. Auch in Hamburg gab es sexuelle Übergriffe auf Frauen durch Migranten. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Scholz: Es ist wichtig, dass sich die Polizei auf diese neue taktische Lage einstellt. Sie ist jetzt gut darauf vorbereitet, dass es bei Großereignissen zu einem zusätzlichen, neuen Problem kommen kann. Ansonsten gilt: Wer so etwas macht, muss mit Verurteilung rechnen und kann auch nicht hoffen, hier bleiben zu dürfen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesregierung jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht hat, das sicherstellt, dass diejenigen, die solche Straftaten begehen, auch das Land verlassen müssen.

Der permanente Streit innerhalb der großen Koalition über die richtige Flüchtlingspolitik trägt nicht gerade dazu bei, Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen. Geht das nicht besser?

Scholz: Gestatten Sie mir den Hinweis: Das ist doch mehr ein Konflikt zwischen den beiden Unions-Parteien, die in der Regierung sind. Die sozialdemokratische Partei macht ordentlich ihre Arbeit.

Manchmal ist es auch schwer, zu erkennen, wofür die SPD in der Flüchtlingspolitik eigentlich steht. Können Sie das auf einen kurzen Nenner bringen?

Scholz: Für einen pragmatischen Humanismus.

Die Flüchtlingskrise dürfte auch das beherrschende Thema beim Politischen Aschermittwoch nächste Woche sein. Ihre Botschaft an die Genossen?

Scholz: Für diejenigen, die Nuancen verstehen, sage ich den Satz: Wir können das schaffen!