Himmel und Hölle

Als die „Spiele“ vom „Löwen-Bändiger“ zur Lachnummer wurde


EINE SCHÖNE ZEIT: Die SpVgg Landshut begeisterte in der Saison 1985/86 im Hammerbachstadion mit herzerfrischendem Angriffsfußball. Stürmer Hans Viehbeck (Foto) erzielte insgesamt 15 Saisontreffer, in dieser Szene scheiterte er freilich vor der Rekordkulisse von rund 10.000 Zuschauern an "Löwen"-Keeper Thomas Zander.

EINE SCHÖNE ZEIT: Die SpVgg Landshut begeisterte in der Saison 1985/86 im Hammerbachstadion mit herzerfrischendem Angriffsfußball. Stürmer Hans Viehbeck (Foto) erzielte insgesamt 15 Saisontreffer, in dieser Szene scheiterte er freilich vor der Rekordkulisse von rund 10.000 Zuschauern an "Löwen"-Keeper Thomas Zander.

30 Jahre ist's her: Die SpVgg Landshut wurde 1985/86 sensationell Bayernligameister - vor 1860 München. Dummerweise hatte der Vereinsvorstand keine Zweitliga-Lizenz beantragt.

Die SpVgg Landshut ist ein Traditionsverein. Einer mit fast 100-jähriger Geschichte. Und einer mit einem total verrückten Kapitel in seiner Chronik: die Saison 1985/86. Damals feierten die Schwarz-Weißen sensationell die Meisterschaft in der Bayernliga, noch vor dem TSV 1860 München und dem FC Augsburg. Nur vergaßen die Herren auf der Chefetage, sich um eine Lizenz für die 2. Bundesliga - und somit auch für die Aufstiegsrunde - zu bewerben. Vom "Löwen-Bändiger" zur Lachnummer. Binnen weniger Tage.

Ihre beste Zeit erlebte die "Spiele" zweifelsohne in den 80er Jahren. 1982 stiegen die Landshuter in die dritthöchste Liga auf, schafften in der Premierensaison als 15. mit Ach und Krach den Klassenerhalt. 1983/84 landeten sie auf Position sechs und 1984/85 nach dem Wechsel von Torschützenkönig Rudi Stenzel (24 Treffer) zum Bundesligisten 1. FC Nürnberg auf Rang neun. Dann die Spielzeit 1985/86: Die Schwarz-Weißen schickten ein in der Region tief verwurzeltes Team um die Eigengewächse Walter Hainer, Horst "Bubi" Oehl, Reinhard Treimer und Julius Georgens ins Rennen - erstmals mit dem ehrgeizigen Trainer Karsten Wettberg auf der Kommandobrücke. "Da hat einfach alles gepasst, Hierarchie in der Mannschaft, Charakter, Spielertypen, Zusammenhalt auf dem Platz und auch privat. Und dazu noch die gigantische Motivation durch Wettberg", erinnert sich Horst "Bubi" Oehl. Der war damals Kapitän, 29 Lenze alt und stand als Bäckermeister Nacht für Nacht in der Backstube. Sogar vor Punktspielen.

Vom siebten Himmel in die glühende Hölle ist's bisweilen freilich nur ein Hüpfer: Die "Sechzger" lancierten, dass die "Spiele" beim DFB keine Lizenz für die 2. Bundesliga beantragt hat. Rund 70 Kilometer isarabwärts schüttelten sie ungläubig den Kopf - selbst als ein Reporter der Bild-Zeitung den Kapitän keine 24 Stunden nach dem Sieg in "Bruck" mit der bitteren Realität konfrontierte. "Ich dachte, der spinnt", erinnert sich "Bubi" Oehl: "Wir konnten und wollten es nicht glauben. Der Verein hatte darüber ja nie mit uns gesprochen." Erst vor der montäglichen Übungseinheit rückten die SVL-Bosse endlich mit der peinlichen Wahrheit heraus. Ein Albtraum für die Anhänger, ein Affront für die Aktiven. "Die Woche war nicht schön, innerhalb kürzester Zeit waren wir in ganz Deutschland bekannt", sagt "Bubi" Oehl.

Charakterstärke gezeigt

Umso erstaunlicher war die Reaktion der Kicker auf den Keulenschlag: Sie feierten mit über 4.000 Zuschauern im Hammerbachstadion ein 7:0-Schützenfest gegen Absteiger FC 01 Bamberg und den Titel. Mit 70:35 Toren und 49:19 Punkten nach 34 Spieltagen. "Da hat man genau gesehen, wie charakterstark die Mannschaft war", findet "Bubi" Oehl. Ohne Lizenz jedoch keine Aufstiegsrunde. Dabei hätte die Elf von Karsten Wettberg zu gerne gegen SSV Ulm, FSV Salmrohr und Kickers Offenbach gespielt. "Wir hatten einen super Lauf und hätten eine riesige Chance gehabt", meint "Bubi" Oehl. Die "Löwen" scheiterten kläglich, ergatterten in sechs Begegnungen gerade einen mickrigen Zähler.

Von Vereinschef Hans Mießlinger gab's in der L-Frage keine Antwort. Der trat noch vor dem Match gegen Bamberg zurück. "Hans Mießlinger hat damit die persönliche Konsequenz aus einem von ihm begangenen Fehler gezogen", erklärte seinerzeit der SVL-Ehrenvorsitzende Manfred Hölzlein: "Die Nichtbeantragung der Lizenz war ein eindeutiger Fehler, den er - und das unterstelle ich ihm - aus Sorge vor einer möglichen Verschuldung des Vereins in der 2. Bundesliga gemacht hat." Möglich. Oder aus Angst vor der eigenen Courage ? Vermutlich. Oder aus Angst vor dem Halb-Profitum ? Vermutlich auch. Oder aus Angst vor der schier übermächtigen Eishockey-Konkurrenz in der 60 000-Einwohner-Stadt ? Denkbar wär's. Zumal sich bis heute das Gerücht hält, die politischen Stadt-Oberhäupter hätten da mitgemauschelt, weil sie neben dem EVL keinen weiteren Verein im Profisport wollten. Über die tatsächlichen Beweggründe rätseln sie in Landshut immer noch. Selbst "Bubi" Oehl. Für ihn steht lediglich fest: "Mießlinger war nicht alleine schuld."

Die Quittung folgte prompt. Obschon die Mannschaft größtenteils zusammenblieb und selbst Cheftrainer Karsten Wettberg seinen Vertrag erfüllte, reichte es für die Schwarz-Weißen in der Saison 1986/87 bloß zu Platz elf. "Wir hatten fast keine Pause und sind in ein Loch gefallen, psychisch wie physisch", erklärt "Bubi" Oehl. Der Zuschauerschnitt halbierte sich nahezu auf 1 164 Fans. 1989 dann der Abstieg, seither pendeln die Schwarz-Weißen zwischen der Bayern- und der Landesliga. Heute kämpft der rund 800 Mitglieder zählende Fußballverein in der sechstklassigen Landesliga Südost ums blanke Überleben. Sportlich wie wirtschaftlich. Und regelmäßig vor gerade 200 Zuschauern. Auch das hat in Landshut mittlerweile fast schon Tradition.

Den ganzen Artikel lesen Sie in der Wochenendausgabe der Landshuter Zeitung.