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Der König der Lüfte: Bei ihrem Praktikum beobachtet Antonia Greil Steinadler


Bei ihrem Praktikum hat Antonia Greil Steinadler beobachtet.

Bei ihrem Praktikum hat Antonia Greil Steinadler beobachtet.

Von Antonia Greil

Angespannt lugt Antonia Greil durch ein Fernglas. Was sie beobachtet? Steinadler! Die 19-Jährige aus Geisenhausen im Landkreis Landshut hat ein Praktikum im Nationalpark Berchtesgaden gemacht.

Die Anspannung ist groß, während wir in einer kleinen Gruppe im Tal stehen, die Hände vor der eisigen Kälte in den Jackentaschen vergraben und einen dicken Schal um das Gesicht gewickelt. Meine Augen tränen bereits vom unentwegten Starren und ich blinzle, um mein Sehfeld scharf zu halten. Die Arme schmerzen vom Halten des Fernglases und ich muss mich zwingen, noch einmal jede Zacke des Bergrückens abzusuchen. Dann, endlich, tauchen sie auf! Zwei Steinadler segeln hinter dem Wald hervor und steigen langsam, einander umkreisend, in die Höhe. Nach nur wenigen Sekunden haben sie eine beachtliche Höhe erreicht, bis das Männchen einen Sturzflug hinlegt, nur um gleich darauf wieder zu seiner Gefährtin zurückzukehren. Wie an jedem Tag beobachten wir gebannt und fasziniert das Flugspiel der beiden Adler, ab und zu kommentieren wir begeistert ihre Manöver. Kälte und Hunger waren längst vergessen.

Den Kopf in den Nacken

Geduld, Konzentration und Aufmerksamkeit - das sind die drei wichtigsten Faktoren, wenn man Steinadler beobachten will. Jeden Tag meines Praktikums im Nationalpark Berchtesgaden verbrachten meine Kollegen und ich damit, den Kopf in den Nacken zu legen und mithilfe von Fernglas und Spektiv den Himmel nach den imposanten Vögeln abzusuchen. Das Steinadlermonitoring ist ein wichtiger Bestandteil des Schutzkonzepts im einzigen Alpennationalpark Deutschlands. Denn obwohl der Adlerbestand als stabil gilt, waren die großen Vögel, deren Spannweite um die zwei Meter erreichen kann, schon einmal kurz vom Aussterben bedroht, da sie als Jagdtrophäen und Bedrohung angesehen wurden.

Mein Tag lief in der Regel so ab, dass ich mich mit anderen Praktikanten auch bei Schnee und Regen ins Tal stellte, um eines der 15 Reviere nach dem jeweiligen Steinadlerpaar abzusuchen. Da konnte es auch mal vier Stunden dauern, bis man überhaupt einen Adler zu Gesicht bekam - oder auch gar keinen. Wenn der Steinadler dann aber endlich aufflog, hatte sich das Warten umso mehr gelohnt! Durch das Spektiv kann man die Vögel mit der stärksten Vergrößerung sehr gut erkennen und es macht großen Spaß, sie beim gelassenen Segeln im Aufwind oder der präzisen stürmischen Verfolgung störender Eindringlinge, wie zum Beispiel gebietssuchender Jungadler, zu beobachten. Steinadler besiedeln immer als Paar ein gemeinsames Gebiet, das sie vehement gegen Fremde verteidigen. Gerade junge Adler, die noch kein eigenes Revier haben, versuchen oft, bereits sesshafte Adler zu vertreiben.

Wieso man ihn "König der Lüfte" nennt, verstand ich sofort, als ich meinen ersten Steinadler majestätisch am Himmel kreisen sah. Anfangs tat ich mich noch schwer, die einzelnen Vögel zu unterscheiden, doch durch die regelmäßigen Kontrollen bekam ich einen besseren Blick für die Tiere und konnte sie bald anhand von Färbung oder Mauserlücken erkennen. In einem Steinadlerrevier gibt es mehrere Horste, die jedes Jahr abwechselnd genutzt werden. Den Großteil stellen dabei die geschützteren Felshorste dar, es gibt aber auch einige Baumhorste. Sobald die Adler in einen der Horste hineinflogen, gaben wir die Daten an unsere Projektleiter weiter. Daraufhin konnte die Flugzone um den Horst in einem Umkreis von einem Kilometer für Hubschrauber gesperrt werden. Denn wenn die Vögel sich bei der Brut bedroht fühlen, besteht die Gefahr, dass sie fluchtartig das Nest verlassen und die Eier dadurch auskühlen.

Natur Natur sein lassen

Die beliebten Steinadler sind auch bei der einheimischen Bevölkerung eine große Sehenswürdigkeit. Beinahe täglich wurde ich von Spaziergängern angesprochen, die mehr über die aktuellen Beobachtungen wissen wollten. Aber auch Nationalparkbesucher aus aller Welt finden Gefallen an den schönen Vögeln und waren begeistert, wenn sie einen Blick durch unser Spektiv werfen durften. Es war immer wieder schön, sich mit den interessierten Leuten auszutauschen und erkennen zu können, wie weit sich das Motto des Nationalparks "Natur Natur sein lassen" verbreitet hat. Abgesehen von den Adlern ist mir die Hülle und Fülle an Pflanzen und Tieren im Nationalpark stark im Gedächtnis geblieben. Da mich das Steinadlerprojekt in viele verschiedene Reviere geführt hat, konnte ich überall eine andere Blume oder einen besonderen Käfer entdecken. Ich habe diese Artenvielfalt sofort zu schätzen gelernt und wie von selbst begonnen, besser auf meine Umwelt zu achten. Dabei helfen auch die Wegregeln des Parks, die den Besucher zum Beispiel an Hundeleinenpflicht oder Pflückverbot erinnern. Und auch Angestellte des Nationalparks, wie beispielsweise die Ranger, sorgen mit ihrer engagierten und fachkundigen Art dafür, dass jede der Aufgaben des Nationalparks täglich ausgeführt werden kann: Naturschutz, Forschung, Tourismus und Umweltbildung. Leider bekam ich nicht mehr mit, wie die Jungvögel ihre ersten Flugversuche und Entdeckungsausflüge unternahmen, da mein Praktikum vorher zu Ende war. Doch dafür habe ich viele bereichernde Erfahrungen mit nach Hause genommen. Mein Fernglas habe ich inzwischen immer gleich zur Hand, wenn ich einen Spaziergang mache. Und sehe ich einen Bussard am Himmel, den ich auch im Nationalpark oft im Spektiv erblickte, freue ich mich genauso, als wäre es ein Steinadler.

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Antonia Greil hat ein Praktikum im Nationalpark Berchtesgaden gemacht.

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Der Kopf eines Steinadlers.