Freilich!?

Wie kommt der Ritter in die Rüstung?


1: Zum Anziehen braucht ein Ritter zwei Helfer, die ihm zum Beispiel die Brust- und Rückenplatte anlegen. Alle Teile müssen sorgfältig angepasst und festgeschnallt werden. (Fotos: Claus Zettl)

1: Zum Anziehen braucht ein Ritter zwei Helfer, die ihm zum Beispiel die Brust- und Rückenplatte anlegen. Alle Teile müssen sorgfältig angepasst und festgeschnallt werden. (Fotos: Claus Zettl)

An den Wänden aufgereiht steht Rüstung an Rüstung: aus blankpoliertem Metall, teils verziert, manche mit Beinkleid und Helm. Das sieht beeindruckend aus, aber auch ein bisschen beängstigend: Eine leere Ritterrüstung, aufrecht stehend, kennt man sonst ja nur aus Geisterfilmen, und gespenstisch lebendig sieht sie auch aus. Wir wollten wissen, wie der Ritter in die Rüstung kommt, wie er in dem ganzen Metall überhaupt kämpfen kann und was er macht, wenn er mal dringend aufs Klo muss. Dafür haben wir Ignaz Weinmayr befragt. Er kennt sich mit dem Rittertum sehr gut aus, er ist sozusagen Herr über die Rüstkammer des Vereins "Die Förderer", der alle vier Jahre in Landshut die Landshuter Hochzeit nachspielt - so authentisch und detailgetreu wie möglich. Natürlich mit Rittern samt Turnier. Bis aber ein Ritter auf dem Pferd sitzt und mit der Lanze auf seinen Gegner zielt, ist viel zu tun. Es ist ziemlich aufwendig, einen Harnisch, also eine Rüstung, anzulegen, und es dauert fast eine Dreiviertelstunde.

Ein Ritter kann sich nicht alleine anziehen

Er braucht normalerweise zwei Männer, die ihm helfen. In unserem Beispiel wird ein Turnierritter eingerüstet. Los geht's mit der Unterwäsche. Die war, zumindest obenrum, recht schwer und unkomfortabel: Das Unterhemd der Wahl war damals ein Kettenhemd. Bei der Landshuter Hochzeit heutzutage tragen die Ritter aber ein leichtes, wattiertes "Unterzeug".

Die Helfer legen dem Ritter zuerst Brust- und Rückenschild an (1). Der Harnisch wird mit Lederriemen am Unterzeug befestigt. Wenn nichts verrutscht, ist das für den Ritter doppelt gut. Zum einen ist er besser geschützt: Wenn sich nämlich die Einzelteile verschieben, findet der Gegner leichter eine Lücke, durch die er zustechen kann. Und außerdem scheuert oder drückt den Ritter dann nichts. Meistens hat er die Rüstung ja eine ganze Weile an.

Von vorne sind auch die Oberschenkel des Reiters geschützt: mit beweglichen Eisenplatten (2), damit er bequem im Sattel sitzen kann. Am Oberteil sind Rüsthaken und Rasthaken befestigt: ein seitlicher Haken und dahinter ein nach hinten abstehender Stab mit einem Haken am Ende. Der hält die 3,80 Meter lange Lanze, die sogenannte Rennstange. Sie ist aus Holz, aber bei der Länge hat sie auch einiges Gewicht. Und unhandlich ist sie auch. Der hintere Teil der Lanze wird daher in die Haken gelegt, damit der Ritter diese Last nicht auch noch tragen muss (3).


Die Bewegungsfreiheit war zu Pferd also ziemlich eingeschränkt. Ein wenig besser ging es den Rittern in der Schlacht. Sie mussten sich nicht mit unhandlichen Stangen herumschlagen, sie hatten Streithammer oder Streitkolben. Die sind handlicher und effektiver. Und auch zum Kämpfen gab es Helfer.

Meist waren mindestens ein schwergerüsteter Ritter zu Pferd, zwei leichtgerüstete, auch zu Pferd, außerdem Armbrust- oder Bogenschützen und ein Knappe zu Fuß mit im Kampf. Knappe und Bogenschützen hatten keine eisernen Beinkleider, die hätten sie zu Fuß behindert.


Die Rüstung war sehr teuer

Abgesehen davon war eine ganze Rüstung ziemlich teuer - und zahlen musste der Ritter, der für seine Männer zu sorgen hatte. Die Helfer hatte der Ritter auch, weil seine Sicht so beschränkt war. Sie konnten ihn warnen, wenn eine Attacke von hinten oder von der Seite drohte.

Zum Schluss bleibt die Frage: Wenn es schon eine Dreiviertelstunde dauert, bis man in der Rüstung ist, und vermutlich ebenso lang, bis man wieder draußen ist - was tut der Ritter, wenn er mal muss? Ignaz Weinmayr sagt: "Das ist nicht überliefert." Wenn man aber bedenkt, dass der Ritter sich in der Schlacht Horden schwerst bewaffneter Kämpfer gegenübersah, ist die Vorstellung nicht abwegig, dass er schlicht und einfach in die Hose gemacht hat.

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2: Dieser Ritter hat gut lachen: Statt eines unbequemen Kettenhemds hat er wattiertes Unterzeug an. Und noch trägt er nicht die ganze 35 Kilo schwere Rüstung. In den Haken, den man vorne seitlich sieht, wird später die Lanze für das Turnier eingelegt.

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1: Zum Anziehen braucht ein Ritter zwei Helfer, die ihm zum Beispiel die Brust- und Rückenplatte anlegen. Alle Teile müssen sorgfältig angepasst und festgeschnallt werden. (Fotos: Claus Zettl)

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2: Dieser Ritter hat gut lachen: Statt eines unbequemen Kettenhemds hat er wattiertes Unterzeug an. Und noch trägt er nicht die ganze 35 Kilo schwere Rüstung. In den Haken, den man vorne seitlich sieht, wird später die Lanze für das Turnier eingelegt.

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3: Von hinten ist der Turnierritter vergleichsweise wenig geschützt. Aber der Gegner samt Lanze kommt ja auch nur von vorn. Die Lanze wird in den Haken eingelegt, damit der Ritter leichter die Balance halten kann.

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4: Hallo, ist da wer? Das könnte man den Ritter fragen, dessen Gesicht man nicht mehr sieht - oder der Ritter könnte es hinausrufen. Seine Sicht ist nämlich auch ganz schön eingeschränkt. Ebenso wie seine Beweglichkeit, wie man sieht.

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5: So elegant war das Mittelalter: Mit der linken Hand hält der Ritter die Zügel. Damit die Finger möglichst beweglich bleiben, sitzen nur auf der Oberseite des Lederhandschuhs Stahlplättchen. Jeder Finger wird von mehreren Plättchen geschützt.

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6: Zum Schluss noch die Lanze eingehängt und fertig! Unser Ritter ist angezogen und posiert in der Rüstkammer. Bei diesem Anblick möchte man ungern der gegnerische Ritter beim Turnier sein.

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In seiner Stahlschale war der Ritter ziemlich eingeengt.

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3: Von hinten ist der Turnierritter vergleichsweise wenig geschützt. Aber der Gegner samt Lanze kommt ja auch nur von vorn. Die Lanze wird in den Haken eingelegt, damit der Ritter leichter die Balance halten kann.