Dingolfing/Landshut

Gewaltexzesse und sexueller Missbrauch: Angeklagter (36) freigesprochen


Überraschender Freispruch am Donnerstag vor dem Landgericht Landshut. (Symbolbild)

Überraschender Freispruch am Donnerstag vor dem Landgericht Landshut. (Symbolbild)

Der wegen Gewalt- und Sexualdelikten gegenüber seinen Stiefkindern sowie seiner Cousine angeklagte Max M. (Name von der Redaktion geändert) ist heute von der Jugendkammer des Landgerichts überraschend freigesprochen worden.

Sechs Verhandlungstage, mehrere potentielle Geschädigte, ein schweigender Angeklagter und schließlich eine dreistündige Urteilsberatung: Die Kammer unter Vorsitzendem Richter Oliver Dopheide hat es sich nicht leicht gemacht. Am Ende, so Dopheide, könne man sagen, "Da war was". Doch die Feststellung allein reiche nicht aus, um den Angeklagten zu verurteilen. Der 36-jährige Max M. konnte den Gerichtssaal somit als freier Mann verlassen.

Max M. soll die Kinder seiner damaligen Lebensgefährtin zwischen 1999 und 2009 im gemeinsamen Haushalt im Landkreis Dingolfing-Landau auf jede erdenkliche Weise gedemütigt, erniedrigt und gequält haben. Das heute 23 Jahre alte Mädchen soll der von Staatsanwältin Sigrid Kolano vertretenen Anklage zufolge von dem 36-Jährigen zudem in 53 Fällen sexuell missbraucht worden sein. Das Jugendamt war damals bereits involviert; informiert unter anderem von einer Kinderärztin, weil der Junge Bettnässer war - einer der vielen Punkte, die Max M. zur Raserei gebracht haben sollen. Laut Anklage hat er den Jungen, der bis zu seinem 15. Lebensjahr Bettnässer war, regelmäßig am Kopf gepackt und mit dem Gesicht in die nasse Stelle auf der Matratze gedrückt- solange bis der Junge kaum noch Luft bekam. Diese Übergriffe sollen regelmäßig alle zwei bis drei Tage stattgefunden haben. Zudem soll Max M. zwischen 1999 und 2000 in mindestens 36 Fällen seine damals 15-jährige Cousine missbraucht haben, indem er sie zuvor mit Alkohol und Drogen betäubt hatte.

Widersprüche geben den Ausschlag

Die mutmaßlichen Opfer - die alle unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt hatten - hatten dem Vernehmen nach vor Gericht ihre Anschuldigungen aufrecht erhalten. Die Übergriffe seien grundsätzlich plausibel geschildert worden, so Dopheide. Doch es habe etliche Widersprüche zu dem gegeben, was die Betroffenen beispielsweise bei der Polizei oder bei Therapeuten gesagt hätten. Natürlich dürfe man die Anforderungen an Aussagen nicht überspannen, zumal dann, wenn die vermeintlichen Taten mehr als zehn Jahre zurückliegen würden, "aber Unsicherheiten dürfen nun mal nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet werden". Was den ersten sexuellen Übergriff bei der Tochter seiner Lebensgefährtin betreffe, so habe man hier zwar eine Aussagekonstanz der 23-Jährigen, sagte Dopheide. "Aber die nachfolgenden Vorfälle bleiben in ihren Schilderungen blass."

Darum reichte es nicht für einen Schuldspruch

Am Ende der Beweisaufnahme, so Dopheide in der Urteilsbegründung, habe man "lauter gewichtige Indizien, aber alle mit einem Fragezeichen versehen" gehabt. Dies reiche nicht für einen Schuldspruch. Zwar habe das Mädchen damals schon gegenüber ihren Schulkameradinnen gesagt, dass sie vom Freund ihrer Mutter missbraucht werde. Aber an Konkretes konnten sich die Zeuginnen vor Gericht nicht mehr erinnern, sagte Dopheide. Und es habe damals auch schon Gerüchte gegeben, dass es in der Familie Gewalt gebe. Diesen Gerüchten seien Mitarbeiter des Jugendamtes intensiv nachgegangen, wie Zeugenaussagen und Aktenvermerke belegt hätten. Doch obwohl sie sich über einen gewissen Zeitraum hinweg innerhalb der Familie bewegten, konnten die Mitarbeiter damals schon nicht verifizieren, woher die Gewalt kommt, sagte Dopheide. "Wie sollen wir es dann zehn Jahre später schaffen?"