Beichten im Internet

Ein Klick und die Sünde ist weg


Robert Neuendorf kam die Idee zu seiner Internetseite www.beichthaus.com am Arbeitsplatz. (Foto: Robert Neuendorf)

Robert Neuendorf kam die Idee zu seiner Internetseite www.beichthaus.com am Arbeitsplatz. (Foto: Robert Neuendorf)

Ich bin nervös. Gleich werde ich das erste Mal in meinem Leben beichten - diese Gedanken schießen mir an jenem Tag durch den Kopf. Damals war ich neun Jahre alt und stand unmittelbar vor meiner Erstkommunion. Als ich in den Beichtstuhl steige, knarrt das Holz unter meinen Füßen. Die Aufregung prickelt in meinem Bauch. Ich knie mich hin, beichte und schäme mich für alles, was ich aufzähle. Heute weiß ich: Es geht viel einfacher. Man kann auch im Internet beichten. Aber ist das wirklich sinnvoll?

Eine der Internetseiten, die es den Besuchern ermöglicht, anonym ihre Übeltaten auszusprechen, heißt www.beichthaus.com. Das Prinzip ist einfach erklärt: Man klickt rechts oben auf den roten "Anonym Beichten"-Button und schon kann man seine Beichte aufschreiben. "Innerhalb von 24 Stunden lese ich jede Beichte und entscheide anhand bestimmter Regeln, ob ich sie veröffentliche", erklärt Robert Neuendorf, der Gründer der Internetseite. Solche Kriterien seien unter anderem, ob Namen im Text auftauchen oder ob die Beichte zu tief unter die Gürtellinie gehe, so der Marketing-Kommunikationswirt. Die Idee zum virtuellen Beichtstuhl kam ihm am Arbeitsplatz. "Kollegen haben von ihren Untaten erzählt. Ich fand es lustig, solche Beichten zu sammeln", sagt er.

Mit dem Beichten in der Kirche hat das überhaupt nichts mehr zu tun. Dieser Meinung ist Elisabeth Perschl, Lehrerin für katholische Religion. "Wenn man in der Kirche beichten gehen will, sollte man sich zuerst darauf vorbereiten", so die Religionslehrerin. Man solle sein Gewissen erforschen und alle Fehler, die man gemacht hat, durchgehen. "Das ist wie eine Bestandsaufnahme", erklärt die 52-Jährige. Für das Beichtgespräch nimmt man sich dann idealerweise Zeit. "Einige gehen kurz vor Festtagen beichten, wenn viele Leute anstehen. Das ist wie Massenabfertigung", sagt Elisabeth Perschl. "Und dann ist es auch nicht mehr persönlich."

Talkshow-Charakter

Genau das fehlt der Lehrerin beim Beichten im Netz. "Im Internet läuft es anonym ab und nicht von Angesicht zu Angesicht", sagt sie. Hier liegt für den Gründer der Internetseite www.beichthaus.com der Vorteil: "Die Internetseite ist so beliebt, weil man anonym beichtet. Man kann sich Sachen schnell von der Seele schreiben", sagt Neuendorf. Religionslehrerin Elisabeth Perschl findet das nicht. "Leute können die Internetseite nutzen, um einfach mal in der Öffentlichkeit zu stehen. Das Beichten im Internet bekommt Talkshow-Charakter", sagt die 52-Jährige. Oft gehe es auch nur darum, möglichst lustige Geständnisse zu machen, sodass man dadurch mehr Klicks erreiche. Und tatsächlich: Blättert man die Sammlung auf der Internetseite durch, fallen einem immer besonders skurrile Beichten auf. So schreibt zum Beispiel ein 23-Jähriger, dass er sich mit einem gehäkelten Clown unterhalte. Aber das ist nicht Robert Neuendorfs Ziel. "Es geht nicht darum, ob eine Beichte lustig ist. Jede Beichte wird auf der Seite veröffentlicht", so Neuendorf. Aus Erfahrung weiß er auch, dass lange Beichten ehrlicher gemeint sind als kurze, die nur aus drei bis vier Sätzen bestehen.

Dann komme das Sozialgewissen zu Wort. Leser der Beichte geben ihre Meinung zur Untat ab. "Zu jeder Beichte erhält man verschiedene Kommentare", erklärt der Erfinder von www.beichthaus.com. "Bei hundert Kommentaren erkennt man dann eine Richtung, ob man sich schlecht oder gut verhalten hat. Manchmal sind sogar brauchbare Ratschläge dabei." Elisabeth Perschl meint allerdings, man solle sich nicht von anderen sagen lassen, ob man sich nun schlecht oder gut fühlen sollte. "Es geht darum, selbst zu erkennen, was man falsch gemacht hat. Man geht in sich und erkennt vor Gott, welche Sünden man begangen hat", sagt sie.

Ob das Beichten im Internet das Beichten in der Kirche ersetzen kann? "Ich denke nicht", sagt Neuendorf. "Für Leute, die an Gott glauben, ist das Beichten in der Kirche besser. Meine Internetseite richtet sich an Menschen, die sich nicht trauen, ihre Untaten einem Pfarrer zu gestehen."

Elisabeth Perschl, Lehrerin für katholische Religion, hält nichts vom Beichten im Internet. (Foto: dv)

Elisabeth Perschl, Lehrerin für katholische Religion, hält nichts vom Beichten im Internet. (Foto: dv)