Bayern

Fake-Ministerium ruft Gymnasiasten zu Flugblattaktion auf


Ein Auszug aus der Webseite zur Kunstaktion "Scholl2017"

Ein Auszug aus der Webseite zur Kunstaktion "Scholl2017"

Am Montag haben die bayerischen Gymnasien seltsame Post bekommen: "Verteile dein Flugblatt in einer Diktatur", lautet die Aufforderung.

Das Logo mit bayerischen Löwen und Wappen suggeriert offiziellen Charakter, die Unterlagen und Arbeitsmaterialien, die am Montag an bayerische Gymnasien gingen, sehen professionell aus. Bei einem flüchtigen Blick auf die Broschüren könnte man tatsächlich meinen, dass es sich um Material handelt, das vom zuständigen Ministerium an die Schulen verschickt wurde. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass sich ein scheinbares Grußwort des bayerischen Innenministers mit Bild in den Unterlagen findet, ebenso ein Beitrag des Kultusministers. Doch bei genauerem Hinsehen merkt man schnell, dass es sich nicht um ein offizielles Schreiben handeln kann. Doch was ist es dann?

"Reise in eine Diktatur Ihrer Wahl"

Es ist wohl eine Kunstaktion, die sich bei genauerem Hinsehen schnell als solche enttarnen lässt. Da ist zum einen die Bezeichnung des Ministeriums - angeblich ist der Urheber der Aktion das "Bayerische Staatsministerium für Bildung, Kultur und Demokratie". Ein solches Ministerium aber gibt es nicht. Für die Schulen zuständig ist das Bayerische Staatsminsterium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Zum anderen ist es der Inhalt der Aktion "Scholl2017", der klar macht, dass keine offizielle Stelle dahinter stehen kann.

Aufgerufen werden die Schüler an den Gymnasien dazu, in der Tradition der Geschwister Scholl Flugblätter gegen Diktatoren zu erstellen. Mit ihren Entwürfen sollen sie dann an der Prämierung des besten Flugblatts teilnehmen, die am 29. Juni in den Münchner Kammerspielen erfolgen soll. Als Preis soll die Gewinner dann "eine unvergessliche Reise in eine Diktatur ihrer Wahl" erwarten, wo sie mit den Flugblättern zum Sturz von echten Diktatoren beitragen sollen. Für die Aktion wurde am Montag auch in München auf der Straße geworben, wie die az berichtet.

Fake News oder Inspiration?

Relativ eindeutig scheint, wer hinter der Aktion steckt? Auf der zugehörigen Webseite wird im Seitenfuß ein "Zentrum für Politische Schönheit" angegeben, im Impressum dann ein Dr. Philipp Ruch. Recherchiert man, so stellt sich heraus, dass es sich bei Philipp Ruch um einen Aktionskünstler handelt, der bereits in der Vergangenheit mit verschiedenen, politisch aufgeladenen Kunstaktionen für Aufsehen gesorgt hat. Er ist es laut übereinstimmenden Medienberichten auch, der das "Zentrum für Politische Schönheit" leitet, ein Zusammenschluss von verschiedenen Künstlern.

Auf schriftliche Anfrage spricht das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst von "Fake News". Man verurteile deren Verbreitung, weil sie zu "Irritation und Manipulation der Menschen" beitragen. Das weitere Vorgehen im Umgang mit der vermeintlichen Kunstaktion werde geprüft.

Scheinbar hat das Ministerium auch bereits reagiert und hat die Gymnasien schriftlich darauf hingewiesen, dass es nichts mit der Aktion zu tun habe.

Cesy Leonard, Ihrer Aussage nach Chefin des Planungsstaabs beim Zentrum für Politische Schönheit, hält dagegen, dass man nur im ersten Moment auf die Idee kommen könne, dass tatsächlich ein Ministerium hinter der Aktion steht. Zu den Gründen für die Aktion sagt sie: "Wir machen Theater und wollen damit unsere Politiker inspirieren, mehr für die Demokratie zu tun." Ob sie es verstehen könne, wenn manche die Aktion als banal oder geschmacklos empfinden? "Wir wissen natürlich, dass die Aktion sehr polarisierend ist." Doch es sei wichtig, dass man auch gerade junge Menschen dazu bewegt, über Demokratie nachzudenken. Denn Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sondern ein hohes Gut, für das man sich engagieren müsse.

Wie es nun weitergeht mit der Aktion? Nach den Preisverleihungen am Mittwoch und Donnerstag sei tatsächlich geplant, dass zum Ende der Woche eine Person in ein diktatorisch regiertes Land geflogen werde und dort Flugblätter verteilt werden. Für die Sicherheit der Person habe man Vorsorge getroffen.

Hat diese Kunstaktion nun Sinn, provoziert sie in richtigem Maße, regt sie zur Diskussion an oder ist sie schlichtweg unpassend in Verbindung mit der Erinnerung an die Scholl-Geschwister? Daran scheiden sich - wie immer bei Kunst - die Geister.