Bayerische Alpen

Bartgeier und Steinadler werden wieder mehr


Wanderer beobachten am 20.05.2016 im Hintersteiner Tal bei Bad Hindelang (Bayern) an der Adlerhütte des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern Vögel in den Allgäuer Hochalpen.

Wanderer beobachten am 20.05.2016 im Hintersteiner Tal bei Bad Hindelang (Bayern) an der Adlerhütte des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern Vögel in den Allgäuer Hochalpen.

Von Monika Müller

In den bayerischen Alpen können wieder mehr Greifvögel beobachtet werden. Der Bruterfolg der Steinadler nimmt zu. Und auch die seltenen Bartgeier lassen sich häufiger blicken. Deutschlands fruchtbarstes Steinadler-Paar hat sein Revier im Allgäu.

Als der Steinadler über dem Gipfel des fast 2.000 Meter hohen Giebels erscheint, ist unten im Tal die Freude groß. Schnell werden Ferngläser gezückt, um den mächtigen Greifvogel beim Anflug auf seinen Horst zu beobachten. "Er hat Futter für die Jungen dabei", ruft ein Mädchen, das den Adler durch ein großes Fernrohr im Visier hat. Henning Werth vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) freut sich über die Begeisterung - und darüber, dass das Adlermännchen fast pünktlich zum Start der Exkursion im Hintersteiner Tal im Oberallgäu auftaucht. "Eine Garantie gibt es natürlich nicht. Aber wir haben bei unseren Steinadler-Wanderungen meistens Glück, dass sich die Vögel sehen lassen", sagt der Gebietsbetreuer des Naturschutzgebietes Allgäuer Hochalpen.

Der Bruterfolg des Steinadlers in Bayern hat laut LBV seit Beginn eines Artenhilfsprogramms im Jahr 1997 zugenommen. Dennoch sei der Bestand noch nicht stabil. "Einzelne Reviere haben weiterhin nur einen sehr geringen Bruterfolg. So brütete zum Beispiel ein Steinadlerpaar das vorletzte Mal 1997 und das letzte Mal 2015", sagt LBV-Artenschutzreferent Andreas von Lindeiner.

Etwa 45 Adlerreviere gibt es derzeit im bayerischen Alpenraum, elf davon liegen im Allgäu. Das Adlerpaar am Giebel ist nach Werths Angaben das fruchtbarste in Deutschland. Sechs Jungvögel hat es allein in den vergangenen zehn Jahren aufgezogen. "Wenn man bedenkt, dass das Adlerpaar nur alle zwei Jahre brütet, ist das eine hohe Quote", sagt der Biologe aus Sonthofen. Steinadler legen in der Regel zwei Eier. Doch meist überlebt nur das stärkere Jungtier, das von den Eltern bevorzugt versorgt wird. "Das Kleine wird nur dann gefüttert, wenn Futter übrig ist." Nicht selten werde das schwächere vom stärkeren Jungtier getötet. Das Adlerpaar am Giebel hat in der Vergangenheit schon fünfmal zwei Jungvögel großgezogen.

Doch nicht nur die Chance, Steinadler zu sehen, ist im Hintersteiner Tal groß. Immer häufiger ziehen dort auch Bartgeier ihre Kreise am Himmel. Für Werth eine Sensationt. Schließlich galt der Greifvogel in den Alpen einst als ausgerottet.

Bartgeier als einer der seltensten Vögel

Der Bartgeier zählt zu den seltensten Vögeln in Europa - und mit knapp drei Metern Spannweite zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Durchziehende Bartgeier werden im Allgäu inzwischen fast wöchentlich beobachtet, sagt der Experte. Noch halten sich die Tiere nur zur Nahrungssuche in der Region auf. "Aber ich denke, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Bartgeier hier als Brutvogel ansiedelt." Entscheidend sei die Akzeptanz durch die Menschen.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Geier im Alpenraum heimisch. Aus Unwissen und Furcht habe der Mensch die großen Vögel jedoch Zug um Zug ausgerottet, erklärt Werth. In einem internationalen Gemeinschaftsprojekt werde seit 30 Jahren mit Erfolg daran gearbeitet, den Bartgeier wieder einzubürgern. Im gesamten Alpenraum gebe es derzeit knapp 150 Exemplare. Fünf bis sechs Bartgeier seien im letzten Jahr im Allgäu gesichtet worden.

Den Teilnehmern der Steinadler-Führung zeigt sich der Bartgeier an diesem Tag nicht. Dafür bekommen sie viele andere Wildtiere zu sehen: Gämsen, Murmeltiere, einen Mäusebussard, einen Schwarzspecht und ein Rudel Hirsche. Auch die älteste Fichte des Allgäus liegt auf dem Weg. Experten schätzen den Baum auf 250 bis 300 Jahre. "Wir sind hergekommen, um den Steinadler einmal live zu erleben. Aber es ist beeindruckend, was es hier sonst noch alles zu sehen gibt", schwärmt Stephan Dorenkamp aus Ludwigsburg, der mit seiner Frau und zwei Kindern im Allgäu Urlaub macht.

Aktuell brüten im Allgäu fünf Steinadler-Paare. Im Revier am Giebel bietet der LBV von Ende Mai bis Ende September einmal pro Woche eine Wanderung unter fachkundiger Begleitung an. Darüber hinaus informiert der Verband in einer Info-Hütte am Giebelhaus über Alpenvögel, das Artenhilfsprogramm Steinadler und die Allgäuer Hochalpen. Auch in anderen Regionen Bayerns - etwa in Miesbach und Garmisch-Partenkirchen - gibt es Führungen durch Adlerreviere. "Für die Beobachtung werden Horst-Standorte in sicherer Entfernung ausgewählt, damit die Vögel nicht gestört werden", sagt von Lindeiner.

Ob demnächst auch Bartgeier-Wanderungen im Allgäu angeboten werden, ist ungewiss. "Dafür ist es zu früh, die Vögel tauchen noch zu unregelmäßig auf", sagt Werth. Um mehr Kenntnisse über den Bestand der Greifvögel zu bekommen, setzen die Artenschützer auf die Hilfe von Wanderern, Hüttenwirten und allen anderen, die in den Bergen unterwegs sind. Sie sollen nach Möglichkeit Bartgeier fotografieren und die Bilder an den LBV senden. "Jede einzelne Sichtung kann dabei helfen, das Wissen über die Ausbreitung dieser Vögel zu verbessern", sagt Werth.