Fussball-Landshut

Wie Boxen auf dem Schachbrett


Oft kann es dabei aber auch sehr rasant zugehen. Die Fechter liefern sich einen offensiven Schlagabtausch, bis einer nicht richtig aufpasst und der andere einen Punkt erzielen kann.

Oft kann es dabei aber auch sehr rasant zugehen. Die Fechter liefern sich einen offensiven Schlagabtausch, bis einer nicht richtig aufpasst und der andere einen Punkt erzielen kann.

Von Redaktion idowa


Landshut. Training und ich sind zurzeit nicht die besten Freunde. Das hat sich auf meine Kondition niedergeschlagen: Sie ist praktisch nicht mehr vorhanden. Daran muss ich denken, als ich auf Joachim Rogos zugehe, den Trainer der Fechtabteilung Landshut. Dass er im Gegensatz zu mir seine Kondition noch hat, ist auf den ersten Blick erkennbar. Er ist dunkelhaarig, schlank und irgendwas zwischen 43 oder 53 Jahren. Aber das ist ganz egal. Menschen wie Joachim Rogos fragt man nicht nach ihrem Alter. Ihre aufrechte Haltung und ihr Tatendurst sind alterslos. Sein Händedruck ähnelt seinen Bewegungen: bedacht, aber selbstsicher. Wie es mich denn zum Fechten verschlagen hat, will er wissen. Das wüsste ich selber gerne. Wenn ich beim Fernsehen über Fechtsport gestolpert bin, habe ich bisher immer weitergeschaltet. Und trotzdem. Als Google mich zufällig zur Website der Fechtabteilung Landshut geführt hat, war mein erster Gedanke: "Genau das willst du ausprobieren".


Der Schweinehund protestiert
Von der Eingangshalle des Sportzentrums aus gehen wir durch ein Drehkreuz Richtung Halle 6. Der Raum, in dem die Leistungs- und Freizeitfechter zweimal die Woche trainieren. Ein wenig verfluche ich meine Neugier. Am Freitagabend um halb neun begebe ich mich auf Musketier-Spuren. Zu dieser Zeit schwingen sich die meisten Menschen auf die Couch vor den Fernseher oder feiern in einer Bar ins Wochenende. Aber für mich gibt es heute keine Couch und keine Bar. Stattdessen stehen Florett, Degen und Säbel auf dem Plan. Das macht mich dann doch neugierig. Joachim Rogos öffnet mir die Tür und es begrüßt mich - nichts. Kein typischer Turnhallengeruch, der verrät wie viele Sportler hier in letzter Zeit in ihre Socken geschwitzt haben. Ich begebe mich erst mal auf sicheres Terrain. Setze mich auf eine der Bänke, die an der Wand stehen. Rechts prangt eine große Spiegelwand. Die verursacht mir Bauchschmerzen. Spiegelwände bedeuten ständige Beobachtung. Eine Pinnwand mit bunten Aushängen macht die sterile Turnhalle mit dem verblassten Boden, der mich an verdünnte, grüne Erbsensuppe erinnert, ein wenig persönlicher.
Langsam tröpfeln die Fechter herein, bis wir vier Männer und vier Frauen sind. Die Haupttrainingszeit ist montags. Da fechten die Cracks, klärt man mich auf. Macht nichts, je weniger Zeugen umso besser, falls ich mich blamiere. Dabei kann ich mich eigentlich entspannen, der Umgang miteinander ist locker. Trainer und Fechter sind per Du. Einer von ihnen hat seinen Tiefschutz vergessen. Der ist - wie der Brustschutz bei Frauen - beim Fechten vorgeschrieben. "Wird schon schiefgehen", sagt er lachend. Alle setzen sich auf die Bank, um dem ersten Fechtpaar zuzusehen. Und das Aufwärmen? Erledigt bei der Fechtabteilung Landshut jeder vor dem Training für sich selbst, um mehr Zeit für effektiven Kampf zu haben. "Du bekommst noch einen blauen Finger von mir zurück. Heute mache ich dich fertig", versucht eine Fechterin ihren Kollegen augenzwinkernd anzuheizen.

Max und Anja machen den Anfang. Ihr Gesichtsausdruck wechselt in einem Wimpernschlag von spaßig zu ernst. Die Fechtmaske - ähnlich dem Facettenauge einer Fliege - fällt. Sie verschleiert mit der restlichen Ausrüstung sämtliche körperlichen Merkmale. Nur noch die Haare zeigen, wer dahintersteckt, und die Turnschuhe. Rote Schnürsenkel, grüne Streifen, ehemals weiße, die dreckig grau sind. Max startet den ersten Angriff und Anja weicht aus. Agieren und reagieren heißt das Motto. Sie bewegen sich kontrolliert und leichtfüßig wie Profiboxer. Wie Schachzüge sind ihre Bewegungen taktisch genau kalkuliert. Boxen auf dem Schachbrett quasi. Sie testen den Gegner aus. Suchen eine Lücke, um seine Verteidigung zu durchbrechen. Dann folgt ein kurzer Schlagabtausch. Metall reibt auf Metall. Als würde eine Nadel schnell über eine Blechdose fahren und so einen feinen Haarriss erzeugen. Landet jemand einen Treffer, leuchtet die elektrische Trefferanzeige auf und gibt ein knappes Alarmanlagenkreischen von sich. Ein Kampf dauert circa fünf Minuten. Die Fechter sind danach ganz schön außer Atem. Eines ist deutlich: Wer beim Fechten wie ein Turm dasteht, verliert. Nur wer wendig ist, wie ein Schilfrohr, triumphiert. Ein größeres Rätsel sind mir die Fechtanweisungen. "Halt, Stellung, Angriff ungültig, rechts zu zwo, links trifft, Klingen auseinander!" Ich verstehe nur Bahnhof. Auf einmal ist der Kampf aus und ich habe nicht mal mitbekommen, wer gewonnen hat. So beeindruckt bin ich von der eleganten Schnelligkeit.

Bewegungsallergiker statt Talentfechter?
Ich habe Feuer gefangen, das will ich auch können. Doch der Trainer holt mich von meinem Höhenflug zurück. "Richtig mitfechten können Sie leider nicht, aber einige Grundlagen ausprobieren. Das mache aber ich, sonst bekommen Sie blaue Flecken." Klingt vernünftig, immerhin liegt mir was an meiner heilen Haut. Joachim Rogos gibt mir eine Unterweste und eine Fechtjacke. Schon bei den komplizierten Reißverschlüssen muss er helfen. Das fängt ja gut an. Ich fühle mich wie in einer kugelsicheren Weste. Tatsächlich erfüllt die Fechtjacke eine ähnliche Funktion. Dann reicht er mir noch einen Fechthandschuh und schon kann's losgehen. Rauf auf den Kopf mit der Fechtmaske. Mit der Luft da drin steht es schon nach drei Minuten nicht mehr zum Allerbesten. Plötzlich macht die Atemschutzprüfung Sinn, die Fechter bei der Feuerwehr ablegen müssen. Überhaupt schränkt die Maske meine Sinne ein. Ich kann meinen Kopf nicht mehr richtig bewegen, höre weniger und das Gitternetz behindert meine Sicht. Genau solche Zustände will ich nicht haben, wenn ein fremder Mann mit einem Florett vor mir steht. Ein solches drückt der Trainer mir jetzt auch in die Hand. Der Griff ist kühl, sogar durch den Handschuh. Einer der drei Haltezähne liegt an meiner Pulsader an und mein Daumen streift den blauen Filz, mit der die Glocke zwischen Griff und Klinge ausgekleidet ist.
Joachim Rogos bringt mich in die Grundstellung. Beine hüftbreit, in die Knie gehen. Die Füße bilden einen rechten Winkel, links steht hinter rechts. Das rechte Knie gerade nach vorne richten, den linken hinteren Arm heben und abwinkeln, dem Gegner die Schmalseite zeigen. Florett auf Brusthöhe. Ich schwanke. Natürliche Haltung ist anders. Bin ich ein Bewegungsallergiker? Aber Joachim Rogos lobt mich: "Sie stehen wirklich gut da!" Bereits jetzt merke ich, wie es nach einigen Minuten in den Oberschenkeln zieht. Und auch der Arm mit dem Florett, am Anfang kaum spürbar, wird langsam schwer. Der Trainer testet einige Fechtstöße an mir, damit ich merke, wie sich das anfühlt. Wie ein Finger, der sich einem in die Rippen bohrt. Nicht schmerzhaft, aber auch nicht angenehm. Ich merke, wie ich instinktiv den Bauch anspanne. Wichtig: Beim Stoßen die Klinge nicht nach unten biegen. Das heißt "stauchen", es ist schmerzhafter. Der Finger in meinen Rippen wird zur Nadel. Dann darf ich einige Stöße an ihm ausprobieren. Sofort wird mir klar: Ich habe Hemmungen, fürchte, meinem Gegenüber wehzutun.

Doch nach einigen Versuchen verliert sich die Angst und es beginnt mir Spaß zu machen. Ich überlege tatsächlich, ob Fechten für mich infrage käme. Irgendwann wird es mir zu heiß in meinem Kugelschutz und wir hören auf. "Aus, aus, es ist aus!", ruft einer der Fechter spaßeshalber und er hat recht. Um zehn Uhr endet das Training. Als ich auf der Heimfahrt beim Einfahren auf die A92 in den fünften Gang schalte, merke ich, wie mein rechter Florettarm schmerzhaft protestiert. Und trotzdem werde ich beim nächsten Mal, wenn Fechten im Fernsehen läuft, sicher nicht weiterschalten.


Von Julia Gabauer

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Die Fecht-Grundstellung: Indem Anja die linke Schulter (bei Linkshändern die rechte Schulter) nach hinten dreht, zeigt sie dem Gegner ihre Schmalseite und bietet ihm so die geringste Trefferfläche.

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Fechten ist die Kunst zu treffen, ohne selbst getroffen zu werden. Deswegen kommt es auf gute Taktik an. Der Sportler muss den Gegner beobachten und es ausnutzen, wenn dieser einen Fehler macht.

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Oft kann es dabei aber auch sehr rasant zugehen. Die Fechter liefern sich einen offensiven Schlagabtausch, bis einer nicht richtig aufpasst und der andere einen Punkt erzielen kann.

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Oft kann es dabei aber auch sehr rasant zugehen. Die Fechter liefern sich einen offensiven Schlagabtausch, bis einer nicht richtig aufpasst und der andere einen Punkt erzielen kann.