Auslandstagebuch

Anika Schiller in England


Anika Schiller ist 18 Jahre alt.

Anika Schiller ist 18 Jahre alt.

Von Anika Schiller

Anika Schiller ist 18 Jahre alt und kommt aus Mintraching im Landkreis Regensburg. Ihre Heimat hat sie für ein Jahr gegen die Stadt Cambridge in England eingetauscht. Dort arbeitet sie als Freiwillige bei einem Projekt der Obdachlosenhilfe der Projektstelle "Cambridge Cyrenians". Diese bietet eine Wohngemeinschaft für obdachlose Menschen. Anikas Aufgabe ist es, Anprechpartner für diese Menschen zu sein und das gemeinschaftliche Miteinander zu organisieren, um die Betroffenen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Das Projekt wird begleitet vom Internationalen Bund (IB), der Seminare, Versicherungen, Unterkunft und Verpflegung bietet.

Flower-Power-Spirit vor der Haustür

Ich wache zu den Tönen von Pink Floyd auf, die durch das geöffnete Fenster hereindringen. Ich gehe zur Türe raus und stehe auf einem Festivalgelände.
Das Stück freie Land, über das ich fast jeden Tag laufe, hat sich komplett gewandelt. Überall Leute, Blumen in den Haaren, bunte Klamotten. Familien sitzen zusammen im Gras, ein paar Leute tanzen sogar. Wo sonst nur Grünfläche ist, jetzt überall Stände, die Essen, kleine Accessoires und Hippie-Klamotten anbieten. Musik von verschiedenen Bühnen, über das ganze Gelände verteilt. Ich kanns nicht glauben, ich wollte doch nur kurz zur Tür raus, und jetzt komm ich aus dem Gucken nicht mehr raus.

"Strawberry Fair" - keine Ahnung, woher der Name kommt, Erdbeerenstände gab es jedenfalls keine - heißt dieses Musik- und Kunstevent, das seit über vierzig Jahren hier stattfindet. Und das schöne dabei ist: Es ist kostenlos.

Seit seinen Anfängen scheint es sich stark verändert zu haben, wird mir erzählt. Jedes Jahr war der Fair in negativem Licht in der Presse: wegen übermäßigem Drogenkonsum, Alkohol und genervten Nachbarn. Vor zwei Jahren wurde der Fair sogar deswegen abgesagt. Seither bemüht man sich, dass Event kinder- und familienfreundlicher zu gestalten. Mit Erfolg, würde ich sagen. Seinen ursprünglichen Hippie-Charme hat das Festival trotzdem oder gerade deswegen nicht verloren.

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Goodbye Cambridge, Goodbye Flaneurs-Dasein

Ich kann nicht glauben, dass meine letzten Tage hier schon angebrochen sind!
Nächstes Wochenende schon werde ich zurück in Deutschland sein. Hat sich jetzt relativ kurzfristig ergeben, dass ich schon so früh zurück muss. Das ist ganz gut so, weil ich dadurch nicht so viel Zeit hatte, traurig wegen dem Abschied zu sein.

Cambridge ist mir gerade in letzter Zeit noch mal viel mehr ans Herz gewachsen. Zum einen weil es endlich warm ist und mit all den Grünflächen lässt es sich in dieser Stadt super aushalten. Zum andern weil mein Sozialleben hier mittlerweile super läuft und ich noch mal einige Menschen gut kennen und schätzen gelernt habe. Und so ein chilliges Leben wie hier werde ich wahrscheinlich lange nicht mehr haben. Die Arbeit ist komplett unstressig, ich habe keinen Lerndruck. Ich habe keine Geldsorgen, immer Essen da, lebe mitten in der Stadt in einem sauberen Haus. Ich habe stundenlang Zeit, nichts zu tun, Tee zu trinken, im Internet zu surfen, spontan Dinge zu tun, durch die Stadt zu flanieren, mich mit Leuten zu unterhalten.

Ich liebe diesetotal unerwarteten Gespräche und Situationen, die man nur erlebt, wenn man keiner Routine und keinen Terminen folgt, sondern in den Tag hineinlebt und Dinge auf sich zukommen lässt. Wenn sich dann zum Beispiel plötzlich jemand Fremder neben dich setzt und dir seine Lebensgeschichte erzählt. Ein "Flaneur" sein, wie unsere französische Freiwillige das genannt hätte.

Deutschland verbinde ich gerade mit dem Gegenteil: Stressiges, durchgeplantes Leben. Kaum jemand hat Zeit für Spontanität. Und dann noch das schlechte Wetter bei euch unten... Regen seit Wochen, Hochwasser, Passau total überflutet, da kann ich nur Lachen (Sorry, ich weiß, is nicht lustig). Hier lassen sich seit einiger Zeit Wolken selten blicken und die Sonne brennt vom Himmel...

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Was geht da vor sich? - Fußball!

Einmal im Jahr kommen alle Obdachlosenorganisationen zusammen und treten zum Fußballmatch um den Tommy-McLafferty-Cup an, das vom Rotary Club Cambridge, Link-Up und Wintercomfort organisiert wird. Es ist schön zu sehen, wie der Sport alle gleich macht: ob Resident, Volunteer oder Staff. Sogar die Polizei ist mit einer Mannschaft vertreten.

Ich habe die Möglichkeit genutzt, um mir den den Sektor Homelessness von verschiedenen beteiligten Seiten anzuschauen, indem ich mich mit verschiedenen Leuten unterhalten habe.
Mit beteiligten Seiten meine ich zum einen die sogenannten Service-User. Dann Freiwillige und Mitarbeiter der Charities, also Service-Provider, die unterschiedliche Konzepte zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit haben. Und dann gibt es Leute und Organisationen, die sozusagen nebenbei etwas beitragen.

Das machen zum Beispiel die Mitglieder des Rotary-Clubs, die das Event organisiert haben. Darüber hinaus unterstützt der Club viele Wohltätigkeitsverbände finanziell über Fundraising-Aktionen wie Parkplatzvermietung: "Ich gebe gerne einen Teil meiner Zeit, um Organisationen wie Jimmie's oder Wintercomfort zu unterstützen. Auch wenn das bedeutet im Winter in der Kälte rumzustehen als Parkplatz-Kassierer", erzählt mir ein Mitglied. Im Gegenzug dazu hört er sich von mir und anderen an, wie es so läuft bei den Projekten, die sie unterstützen. Ich begreife, dass das so ziemlich alles ist, was er von seinem Engagement zurückbekommt und freue mich über seine Freude an der Sache.

Und was sagen die eigentlichen Service-User zu all dem? Manche sind dankbar für all die Unterstützung, die sie bekommen und richten diese Dankbarkeit auch gerne auf eine bestimmte Person. Andere beklagen sich mehr, über fehlenden Support oder was alles schief läuft im System, beim Council oder einer bestimmten Organisation. Das drückt weniger Undankbarkeit aus, sondern vielmehr eine generelle Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, die wenig Raum für viel Dankbarkeit lässt. "Ich spiele heute für Jimmie's, nicht weil ich noch dort lebe, sondern weil mir Jimmie's mit so vielen weitergeholfen hat, in den drei Wochen, die ich dort war.

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Die momentane Housing-Situation in Cambridge...

... sieht ganz schrecklich aus. Alle Hostels sind voll. Die beiden großen "222" und "Jimmie's" haben beide immens Betten reduziert. Alle Move-On-Houses sind voll und scheinen es auch in nächster Zeit zu bleiben. Die Wartelisten für alle Homeless-Hostels sind endlos, man muss sich darauf einstellen, Monate zu warten.Die Temperaturen klettern unter Null. Schnee bedeckt langsam aber sicher alles.

Wer seine Unterkunft jetzt verliert, kann schauen, wo er bleibt. Erst wenn die Temperaturen drei Tage in Folge unter -3 Grad verweilen, ist die Stadt verpflichtet, die rough sleeper irgendwo unterzubringen.

Das freut einen natürlich, wenn man am Freitag erst den letzten Rauswurf hatte und am Montag der nächste bevorsteht... Cambridge ist eine kleine Stadt, ich treffe auch regelmäßig auf die, die schon rausgeworfen wurden. Ich brauche gar nicht nachfragen, wie es ihnen geht. "Frag gar nicht erst", "Schlecht, sehr schlecht", bekomme ich dann als Antwort oder mir starrt ein Gesicht entgegen, das die Drogen ausdruckslos haben werden lassen.

Aber ich gewöhne mich daran. Schön langsam gewöhne ich mich daran.
Was denn das alles noch soll. Warum nehmen wir dauernd Leute auf, um sie dann doch noch ein paar Monaten raus zuwerfen, habe ich gefragt. Wozu das ganze? Ein Rauswurf bedeutet ein schlimmes Tief für den Betroffenen. Da bliebe er doch schon fast lieber auf der Straße. Sind die Regeln bei uns im Haus vielleicht zu streng? Keine Gewalt, kein Alkohol, keine Drogen, keine Übernachtungsgäste, Miete zahlen muss man, regelmäßig putzen und ab und zu kochen. Ist doch gar nicht so schwer. Für viele aber schon.

Und ich darf nicht vergessen, dass ich zwar diese Regeln durchsetze, es aber keinesfalls meine Schuld ist, wenn ich jemanden mit Alkohol im Haus erwische oder Ähnliches. Auch nicht, wenn ich einen unangekündigten Room-Check mache.
Ich hab schön langsam das Prinzip kapiert. Wer auf die Hausregeln scheißt, hat halt einfach keine Chance. Regeln gibt es überall in "der Welt da draußen". Die Häuser sind da, damit motivierte Obdachlose die Chance ergreifen können und ihr eigenes Leben wieder in die Hand nehmen können. Sich einen "normalen" Lebensstil angewöhnen, Kochen, Essen, Waschen. Suchtprobleme bekämpfen. Dazu einen Job finden und eine Wohnung. Darum geht es. Das kann ich für niemanden machen. Das muss jeder für sich entscheiden, ob er sich darum bemühen will. Wer das Projekthaus nur als gemütliches, warmes Plätzchen sieht, muss früher oder später wieder gehen und wird wieder auf der Straße landen.

Bitter nur, dass die letzten beiden, die geflogen sind, zum ersten Mal seit sie hier waren, einen Job hatten und auf dem Weg nach oben waren... Das war's also mit der Freiheit, wenn man hier wohnt. Dann hat man nämlich die Unterkunft zu verlieren...

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FREIwillig: FREIheut und Unfreiheit durch Unterkunft

Gerade habe ich eine Freiheit entdeckt, die ich besitze und deren ich mir vorher gar nicht so bewusst war. Noch nicht lang her, da war ich kurz davor, meinen Freiwilligendienst abzubrechen. Ich hatte einigen Besuch von zu Hause und das hat mein Heimweh ganz schlimm werden lassen. Darüber hinaus musste ich meinen Lieblingsresident rauswerfen. Das war einfach zu viel. Seit ich hier arbeite wurden so viele Residents rausgeworfen. Ich hab einfach keinen Sinn mehr in meinem Projekt gesehen. Warum also nicht dem Heimweh nachgeben?

Einfach hinschmeißen. Zurück nach Deutschland. Wieder heim zu den Eltern gezogen, nen Job gesucht, bisschen Geld verdient. Wäre ganz einfach. Ich würde nichts verlieren außer ein wenig Selbstachtung vor mir selbst, weil ich "das nicht durchgezogen habe". Aber ich hab in diesen Monaten schon genug Selbstachtung dazugewonnen, das wäre tragbar.

Und gerade darin liegt meine große Freiheit. Ich arbeite freiwillig. Ich verdiene nichts. Ich verliere nichts, wenn ich es hinschmeiße. Wäre ich bezahlte Angestellte, hinge mein Lebensunterhalt davon ab. Wenn mir aber so was nicht passt bei der Arbeit, kann ich drohen, ich nehme den nächsten Flieger heim. Und meine Arbeit wird gebraucht, zumindest bis ein Ersatz gefunden ist.

Ich werde nicht abbrechen. Aber das Bewusstsein, dass ich die Freiheit habe, jederzeit zu gehen, gibt mir ein gutes Gefühl. Auch meine Residents und die anderen Homeless haben so eine gewisse Freiheit. Sie haben doch schon so gut wie alles verloren, Job, Partner, Kinder, Haus. Was kann noch groß kommen? Ihre Würde und ihren Stolz dürfen sie nur nicht verlieren.

Also macht Geld alles andere als frei? Nein, irgendwo fängt Armut dann auch wieder an, einem keine Möglichkeiten mehr offen zu lassen. Zu gewissen Handlungen zu zwingen. Sich mit fünf fremden, zum Teil stinkenden Leuten und eventuell Hunden ein fensterloses, winziges Kellerzimmer zu teilen, wie es zum Beispiel im allten Jimmie's der Fall war. Sich das Handy abnehmen lassen, um in Wintercomfort einen warmen Kaffee trinken zu können. Leute auf der Straße um Geld anschnorren. Den allerbilligsten, chemisch schmeckenden Cider aus der blauen 1,5L-Plastikflasche zu kaufen oder, wenns gar nicht mehr anders geht, zu stehlen.

Geld macht nicht frei, aber eröffnet Möglichkeiten. Und wenns nur die Möglichkeit ist, ein paar Dosen Strongbow statt der blauen Plastikflasche zu kaufen. Den Satz hab ich übrigens heute von einem meiner Resdients gehört. Sehr wahr, muss ich sagen.

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Wer wird wo wohnen und mit wem?

Unter allen Freiwilligen steht grad eine große Versetzungswelle an. Und unsere Vorgesetzte hat uns zwar ihre Pläne schon unterbreitet, aber ob es letztendlich wirklich so aussehen wird, wie sie geplant hat, steht in den Sternen. Wir diskutieren jetzt natürlich hitzig, wer in welches Haus versetzt werden könnte und warum. K. zum Beispiel sollte an meiner Stelle hierher, will aber nicht und droht zu kündigen, wenn er wirklich hermuss. Die neue Feiwillige, die am Dienstag erst von Frankreich angekommen ist, soll aber eigentlich auch nicht hierher, weil das für den Anfang zu anstrengend ist. Bei Benni läufts grad viel zu gut, als das er wechseln sollte. R. muss eigentlich auch bleiben, weil er ja mich einarbeiten muss. Es wird spannend!

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Neues Jahr, neues Glück, neues Projekt

Damit hab ich eigentlich nicht gerechnet. Einmal die Woche treffen wir uns ja mit unserer Vorgesetzten. Und diesmal hat sie mir verkündet, dass ich versetzt werde.
Ins Long-Term-House, direkt neben dem Head-Office. Wo die Residents älter sind und mehrere Jahre drin bleiben können, prinzipiell bis sie sterben. Das wird eine Umstellung!

Da ist normalerweise nie viel los, den anderen Freiwilligen zu Folge gehen viele Tage nur mit Fernsehen vorüber. Die Arbeitszeiten sind auch ein klein wenig anders. Und außerdem. Es wird kaum Essen bestellt, sondern jeden Tag kocht ein Resdent für die anderen.

Das macht mir eigentlich am meisten Angst davor. Es gibt jeden Tag Fleisch... Natürlich perfekt für mich als Vegetarier. Und ich hab Angst, dass ich mich langweile. Hier bei uns ist ja immer etwas los und immer was zu tun. Sich abends einfach in sein Zimmer zu verziehen, bietet oft keine Entspannung und man tut gut daran, besser auszugehen, weil dauernd jemand an der Tür klopfen wird und irgendetwas will. Schlaflose Nächte sind manchmal fast an der Tagesordnung. Das ist anscheinend im Long-Term-House ganz anders. Auch Alkohol, Drogen und Aggressionen scheinen dort kein so akutes Problem zu sein. Mit einigen Residents dort hatte ich schon ein wenig zu tun, das sind gemütliche Gesellen, alles ältere Herren natürlich. Wie 451, das Alkoholikerprojekt, ist es eine Art Endstation für ehemalige Obdachlose.
Jetzt, wo ich weiß, dass ich gehn muss, merke ich erst, wie sehr mein jetziges Projekt zu meinem zu Hause geworden ist. Ich liebe mein Zimmer hier, ein farbenfroheres und größeres Schlafzimmer findet man sonst in keinem der Hostels. Ich liebe meinen uralten Schreibtisch und die roten Vorhänge. Ich mag unser viel zu winziges Office, das gleichzeitig auch noch als Vorratsraum genutzt wird. Die Küche, in der die herrlichsten Gerichte zubereitet werden. Den großen Garten, wo mein Fahrrad rumsteht. Ich habe mich an den ewig tropfenden Wasserhahn im Bad gewöhnt. Habe hier meinen Standardbriefkasten, mein Standardpostamt und unterhalte mich schon mit den Angestellten in den lokalen Supermärkten. Clive als Co-Volunteer werde ich wahrscheinlich am meisten vermissen.

Aber ich sollte das beste aus dem Umzug machen, der kurz bevor steht. Wieder ein neues Projekt zu haben, wird mir auf jeden Fall neuen Schwung verleihen. Während bei uns auch eh nur dauernd Leute rausgekickt werden - was stark an meiner Motivation genagt hat - läuft das Long-Term-House hoffentlich ein bisschen erfolgreicher. Wieder einen anderen Co-Volunteer zu haben, wird auch spannend. Benni und ich haben zwar schon ein paar mal was mit R. unternommen, aber so richtig kennen gelernt haben wir ihn nie. Und nicht zuletzt muss ich jetzt, wo's richtig Winter ist, nicht dauernd in die Stadt radeln, unser Freiwilligenhaus ist näher und für die Meetings muss ich nur nach nebenan.

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Drugs-Training

Nein, im Drugs-Training haben wir nicht die verschiedenen Drogen ausprobiert.
In dem Koffer, den unser Trainer dabei hatte, waren zwar verschiedene Präperate, die die unterschiedlichen Drogen illustrieren sollten. Auf Selbsterfahrung durften wir glücklicherweise verzichten.

Es gab aber schon Zeitpunkte bei der Arbeit, wo ich mir fast gewünscht hätte, ich hätte doch schon gern Erfahrungen mit dem einen oder anderen Suchtmittel gemacht, abgesehen von Kaffee und Alkhohol. Wie sonst soll ich erkennen, ob und auf welchen Drogen die Leute um mich sind. Und einschätzen können, ob zu irgendeinem Zeitpunkt eine Gefahr für mich und andere bestehen könnte (durch gebrauchte Nadeln z.B.).
Darum war ich sehr dankbar für unser Drugs-Training. Jetzt weiß ich, dass der Unterschied zwischen Kokain und Crack in der Einnahme besteht, wie unrein vielle illegale Substanzen in den letzten Jahrzehnten geworden sind, woran ich jemanden auf Heroin erkennen kann und dass auch schon darin eine erhöhte Ansteckungsgefahr für Hepatitis besteht, dass ich mit potenziellen Drogenabhängigen das Geschirr teile. Ist aber trotzdem nur ziemlich gering.

Wenn man Nadeln findet, hebt man die normalerweise mit einer speziellen Zange oder Handschuhen auf und sie kommen in so gelbe Eimerchen, Sharp Boxes genannt. Es gibt Hostels, wo diese Sharp Boxes auf jedem Klo direkt neben dem Mülleimer zu finden sind... Na ja, why not.

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Unterwegs mit dem Out-Reach-Team

Es ist ein frischer Herbstmorgen, das Gras glänzt noch vom Tau, die Sonne wirft ihre ersten Strahlen durch spärlich mit Blättern besetzten Zweige - so früh war ich schon lange nicht mehr wach. Ich bring das Essen heute schon besonders früh raus, schwing mich auf mein Fahhrrad, denn um 7 treff ich mich mit dem Outreach-Team.
Das Outreach-Team arbeitet von allen Obdachlosenorganisationen an vorderster Front. Jeden Morgen starten zwei Teammitglieder, immer zwei zwecks Sicherheit, auf unterschiedliche Wanderungen durch das morgendliche Cambridge. Die Routen werden so gewählt, dass in regelmäßigen Abständen die verschiedenen Plätze besucht werden, wo normalerweise rough sleeper nächtigen. Das kann vor Shops, unter Brücken, Bäumen, in Klos, Mülltonnen, in Hauseingängen und so weiter sein. Manchmal gibt es Warmuluftstellen aus manchen Häusern, doch die Besitzer machen diese oft unzugänglich, um die rough sleeper fernzuhalten.

Essenzielle Ausrüstung, um die Nächte im Freien im kühlen England zu überstehen, sind ein Schlafsack, jemand anders, an den man sich kuscheln kann, und Alkhohol, wenn möglich. Die zwei Jungs vom Outreach-Team, mit denen ich unterwegs bin, kontrollieren, ob die rough sleeper noch leben, sprechen mit ihnen, wenn sie schon wach sind und bieten ihnen verschiedene Möglichkeiten an, die sie haben. Das kann sein, dass sie auf die Warteliste eines Hostels gesetzt werden, Hilfe mit irgendwelchen Formularen, Benefits. Aber in einem Hauseingang oder unter einer Brücke ist nicht der beste Ort, um über solche Sachen zu reden, drum werden die rough sleeper immer ermuntert, später am Tag in Wintercomfort vorbeizuschauen, wo sich das Outreach-Team und Freiwillige Zeit für sie nehmen und ihre Situation besprechen.

Manche müssen auf der Straße schlafen und haben nicht mal die Möglichkeit, in ein Hostel aufgenommen zu werden, weil sie keinen Anspruch auf Housing Benefits haben, zum Beispiel weil sie noch keine Local Connection zu Cambridge haben. Andere sind schon auf den Wartelisten, aber hatten noch kein Glück, untergebracht zu werden. Wieder andere haben zu viele Schulden bei den Hostel-Organisationen, sodass sie ebenfalls nicht (wieder) aufgenommen werden. Von mindestens einem habe ich aber auch gehört, der schon so lange draußen schläft, dass er freiwillig auf Unterkunft verzichtet. Er genießt die Freiheit, die ihm das gibt, braucht sich an keine der Regeln in den Hostels halten, muss keine Miete zahlen. Er verdient sich ein bisschen Geld als Straßenmusiker.

Was das schlimmste wäre, mit dem die beiden Outreach-Jungs konfrontiert wurden, habe ich nachgefragt.

Tod war die Antwort.

Damals hat das noch fern, grausam und schlimm auf mich gewirkt. Mittlerweile kann ich das auch sagen...

Und das schönste? Da mussten sie erst mal lang überlegen. Die morgendlichen Schaufensterbummel vielleicht? Nein, es ist das Team, der Zusammenhalt der Mitarbeiter, der schwarze Humor, den man untereinander entwickelt hat, um mit dem oft traurigen und aussichtslosen Job klarzukommen.

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Das Alkhoholiker-Projekt 451

Ich finde den Gedanken irgenwo schon sehr "strange". Ein Hostel, in dem wie bei uns um die acht Residents leben, die dort täglich ihre Rationen Alkhohol bekommen. Sehr "strange". Bei uns ist Alkhohol verboten im Haus - mit gutem Grund.

Man kommt ins Haus, zur rechten ist erst mal ein schönes, großes Büro. Eine rothaarige Frau mit starkem irischen Akzent begrüßt uns und E. E. ist eine starke Persönlichkeit, das merkt man vom ersten Moment an. Er wird uns noch einiges Persönliches erzählen. Dass er selbst einmal Alkoholiker war zum Beispiel. Jetzt ist er trocken und arbeitet für Alkoholiker. "My Boys", nennt er sie liebevoll.

Zur Linken kommt man in das hübsche, rot gestrichene Esszimmer. In der Ecke hockt einsam auf einem Stuhl einer der "Boys" und nuckelt an seinem Bier. Sonst scheint niemand zu Hause zu sein. Es ist echt gemütlich hier und viel geräumiger als bei mir zum Beispiel. Neben dem großen Esszimmer gibt es eine Küche, ein Wohnzimmer sogar mit Billardtisch, eine große Freifläche über dem Wohnzimmer und einen gepflegten Garten. Alles scheint auch moderner und in einem besseren Zustand als bei mir zu sein.

Trotzdem stört mich irgendetwas. Es ist so eine Stimmung in der Luft. Eine ganz unterträgliche Stimmung. Es riecht nach Hoffnungslosigkeit und Tod. Das Haus scheint eine Endstation zu sein.

Tatsächlich werden viele Residents hierher verwiesen, weil es für sie sonst nichts anderes mehr gibt. Sie können oder wollen mit dem Trinken nicht aufhören und so werden sie aus den anderen Hostels, in denen Alkhoholverbot herscht, früher oder später rausgeworfen. Manche kommen hierher, um mit dem Trinken aufzuhören, manche aber auch, um am Alkhohol zu verenden. Sie kommen zum Sterben hierher.
Man bietet ihnen eine geschützte und gemütliche Umgebung zum Trinken, man gibt ihnen sogar ihre Rationen Alkhohol. Die Menge ist abhängig von den jeweiligen Benefits, die sie erhalten. Das soll sie vom Schnorren und Klauen abhalten. Und ihren Alkhoholpegel gleichmäßig halten, dadurch dass sie nicht sofort alles Geld anfang des Monats vertrinken und den Rest der Zeit durch den Entzug leiden.

Es gibt dort diese Kammer. Diese Kammer, die ich so faszinierend fand. Und strange. An der Tür prangt ein Bild mit einem Cowboy mit ein paar Flaschen Schnaps unterm Arm.

Ja, und drinnen sind dann die Alkohol- und Tabakrationen, in verschiedenen Eckchen für die verschiedenen Residents. Cider und Dosenbier vor allem. Man habe den Versuch gestartet, nichts Hochprozentiges mehr auszugeben. Daneben eine Liste, auf der abgehakt wird, welche Ration schon ausgegeben wurde. Das ist für den einen ein Bier am Morgen, eins Mittag und eins am Abend. Der andre bekommt seinen Tabak und eine große 1,5 Literflasche Cider einmal am Tag und der dritte bekommt neben ein bisschen Alkhohol sogar noch fünf Pfund auf die Hand, von denen er seinen Alkoholvorrat ergänzen kann.

Gerade weil wir striktes Alkhoholverbot im Haus haben und die Missachtung dieses Verbots schon mehreren die Unterkunft gekostet hat, irritiert mich diese Art einer Speisekammer!

Ich frage mich, wie viel Sinn das macht, die Leute auch noch mit ihrer Sucht zu unterstüzen, aber es gibt schon ein paar sehr positive Geschichten. Von Leuten die in 451 den Entzug geschafft haben zum Beispiel und auch diese eine auch etwas traurige Story von einem ehemaligen Bewohner, der in 451 ein letztes Zuhause gefunden hat, wo er in Ruhe sterben konnte.

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"I'm NOT driving home for Christmas"

Weihnachten auf Englisch

Heute ist tatsächlich schon Heilig Abend und es ist natürlich alles anders als die letzten 18 Jahre. Fängt schon mal mit der Tatsache an, dass ich heute und die ganzen Weihnachtstage arbeiten muss. Dass ich nicht zu Hause bei meiner Familie bin - dafür ist zumindest ein Teil meiner Familie hier - und damit, dass Weihnachten einfach an einem anderen Tag gefeiert wird. Morgen ist nur Christmas Eve, gefeiert wird erst am Christmas Day und Boxing Day (25. und 26. Dezember). Und im säkulären England dreht sich Christmas auch wenig um die Geburt Christi, sondern viel mehr um Santa Claus und Essen.

Das hat man am Freitag gesehn! Wir haben die Essensbestellung für Weihnachten reinbekommen. Oh du meine Güte, unsere Gefriertruhe ist bis zum Rand gefüllt, die Kühlschränke hab ich noch nie so voll gesehn. Und zwischen gefrorenen Hähnchenbrüsten, Toastlaiben und Fischstäbchen sitzt dieses riesige Vieh von einem Truthahn. Die kleinen waren aus, drum haben wir einen extra großen bekommen.
Truthahn, typisches englisches Weihnachtsessen. Den isst man mit gekochtem Gemüse. Als Nachspeise gibts sowas wie Christmas Pudding, Christmas Cake, Mince Pies oder anderen Süßkram.

Weitere Weihnachtstraditionen sind Weihnachtskarten in ungeheuren Massen zu verschicken, mit dem Chef zu einem Weihnachtsmenü in einen Pub gehen, Weichnachts-Cracker und Weihnachtsshopping.

Tatsächlich gibt es sogar extra Läden, die um diese Jahreszeit nichts anderes als Weihnachtskarten in allen Größen und Variationen verkaufen, ob für Sohn, Schwester, Geliebten oder Financeé, ob im 30er Pack oder als Unikat, mit viel Glitzer und Kitsch oder ganz schlicht. Alles dabei. Ich hab' selber auch schon meine eigene kleine Sammlung an Karten bekommen (und fleißig zurückgeschrieben), die stolz auf meinem Schrank thront.

Ein Weihnachtsmenü hab ich am Mittwoch erlebt, da sind alle Leute von Cyrenians Essen gegangen. Man sucht dabei schon lange vorher aus, was man als Vorspeise, Hauptgericht, Nachspeise essen will. Ist so etwa ab September möglich. Ich geh jetzt einfach mal davon aus, das es auch normal ist, dass der Chef einem das Getränk ausgibt. Jeder bekommt einen Cracker und daran erkennt man auch diese Weihnachtsgesellschaften.

Ein Christmas Cracker ist ein Papier-Knall-Bonbon, wie es mancher wohl von Silvester bei uns kennt. Zwei Leute ziehen an einem Cracker, es knallt, derjenige der die größere Hälfte hat, bekommt den Inhalt des Bonbons. Der besteht normalerweise aus einer Papierkrone, einem Witz und einer Kleinigkeit, die von Stickern über Flaschenöffner bis zu Kartenspielen reichen kann, je nachdem, wie viel man vorher für die Cracker ausgegeben hat.

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"Oh du Fröhliche" - Typisch englisches deutsches Weihnachten
Wie eine Deutsche den German Christmas Market im Hyde Park erlebt


Weihnachten ohne einmal auf einem Christkindlmarkt gewesen zu sein, fänd ich doof. Nun gibt es in Cambridge ja auch "Christmas Markets", aber die sind immer tagsüber und zum Teil drinnen und es gibt nur selbstgebasteltes Krimskramszeug zu kaufen und keine süßen Buden, keinen Glühwein und keine Bratwurstsemmeln. Drum bin ich heute extra nach London gefahren, um doch noch einen German Christmas Market zu erleben. Eine herbe Enttäuschung für den, der echt einen deutschen Weihnachtsmarkt erwartet.

Und ich will gar nicht gemein sein, aber es ist schon sehr lustig, wenn man sieht, welchen Eindruck andere Nationen von deutschen Traditionen haben. Es fängt damit an, dass man nicht von ein paar romantischen Buden erwartet wird, sondern einem riesigen Jahrmarkt, der mich viel mehr an die Dult in Regensburg erinnert als den Christkindlmarkt am Neupfarrplatz. Man kämpft sich durch die Menschenmassen vorbei an den Fahrgeschäften und kommt zu den im Skihütten-Style gehaltenen Ständen, die in halb Deutsch, halb Englisch typische deutsche Spezialitäten anbieten.
Bratwurstsemmeln zum Beispiel. Nur das die Bratwurstsemmeln nicht mit Bratwürsten, sondern etwas verlängerten Knackern gemacht werden. Auch deutsches Bier wird feilgeboten - Erdinger und Paulaner, aber kein Weißbier. Wirklich amüsant fand ich die "Kartoffel-Pfannkuchen". Sehr gespannt hab ich nachgeguckt, was man denn hierzulande da drunter versteht und siehe da: Reiberdatschi.

Alles in allem kam hier mehr Oktoberfeststimmung auf als Weihnachtsstimmung, aber umso mehr freue ich mich, nächstes Jahr wieder durch die Regensburger Christkindelmärkte zu stöbern. Und nach dem seltsamen "Oktoberfest" hier in Cambridge und dem "Christkindlmarkt" in London, sollte ich wohl lieber den Rest des Jahres darauf verzichten, Stückchen der Heimat hier zu suchen, sondern mich lieber ganz auf die Englische Art Feierlichkeiten zu zelebrieren, einlassen.

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Advent in England

Es ist bald Weihnachten und ich muss sagen, die Vorweihnachtszeit löst bei mir Heimweh aus. Wenn's abends so früh dunkel wird, muss ich dran denken, wie wir immer zusammen Kinderpunsch getrunken haben. Plätzchen gebacken und gegessen. Sonntags geimeinsam den Adventskranz angezündet. Und zusammen auf den Christkindelmarkt gegangen sind!

Hab ich hier alles kaum. Ich hab mir nen eigenen Adventskranz (bzw. Adventsteller) gemacht, aber is nicht dasselbe, wenn ich allein in meinem Zimmer vor der brennenden Kerze hocke. Plätzchen habe ich auch schon gebacken, aber mit Umständen, weil ich noch keine Plätzchenformen hatte (danke, Mama, dass du mir jetzt welche geschickt hast!), ich keine Oblatten finden konnte für Lebkuchen, gemahlene Mandeln und Nüsse überhaupt sind megateuer sind, Vanillezucker gibt's nicht und so weiter. In England hat man anderes Weihnachtsgebäck. Zum Beispiel "Christmas Pudding" und "Mince Pies". Ersteres ist so eine Art Schokokuchen in Halbkugelform mit ganz vielen verschiedenen Zutaten, auch bisschen Früchte und so. "Mince Pies" sind nicht mit "mince", also Hackfleisch, sondern mit einer ganz süßen Masse gefüllte Teigküchlein. Und für "Ginger wine" waren wir schon extra beim Aldi. Ja, Aldi gibt's hier auch.

So was wie Weihnachtsmärkte gibt es schon auch, aber ganz anders. Eher so von wegen in irgendeiner Halle verkaufen Leute tagsüber selbstgebasteltes weihnachtliches Zeug, das man zu nichts brauchen kann, außer vielleicht als Weihnachtsgeschenk. Und am Samstag war der "Mill Road Winter Fair". Ein ziemlich großes Event, die ganze Stadt ist dahin gegangen. Da gabs auch ganz viele Buden von allen möglichen Organisationen mit Essen und was weiß ich alles. Und viel Musik und so weiter. Die Obdachlosenorganisationen hatten auch einen zusammen. Da wurden zum Beispiel Pflänzchen von unserem Gartenprojekt in Töpfen vom Töferprojekt verkauft. Traditionelle englische Tänzer habe ich gesehen, wie heißen sie noch mal... vier Männer mit Stöcken und Glöckchen an den Beinen, die schön rumhüpfen zu Quetschen/Flötenmusik und im Takt hochhüpfen und die Stöcke aufeinanderschlagen. Eine Parade gab's auch. Sie hat sehr fernöstlich gewirkt, unter anderem mit einem chinesischem Drachen.

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Spannung - Umzug ins Projekt
Ein ominöses Haus und ein Phantom namens Chris

Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen aufgeregt. Gestern nun endlich wurden wir in unsere Projekthäuser eingeteilt.

Wir haben uns davor schon beide ewig Gedanken gemacht, weil es hieß, einer soll in ein Short-Term-House zusammen mit Clive und der andere ins Long-Term-House (hihi, das übrigens ausgerechnet in der Short Street ist) und wird dort nach einer kurzen Einführungszeit alleine sein. Letzteres erschien uns beiden die eindeutig schlechtere Option zu sein, auch weil in diesem Long-Term-House die Residenz, also die Ex-Obdachlosen, nicht wechseln, sondern immer die gleichen schon ziemlich alten Herren hausen. Na ja, jedenfalls wollten wir beide zu Clive, der ist eh ein sehr cooler Typ, er ist schon öfter bei uns im Ferryhouse vorbeigekommen.

So, letztendlich waren all unsere Sorgen umsonst, wir gingen beide in ein Short-Term-House. Benni kommt zu Clive und ich, ...?

In ein Haus das im Gegensatz zu den anderen etwas außerhalb des Stadtzentrums liegt. Und zwar zusammen mit dem ominösen Chris. Dem bin ich noch gar nicht begegnet... Er soll in den Vierzigern sein, einerseits sehr gesprächig, andererseits sucht er den Kontakt zu Menschen nicht. Aha. Hm. Wie gesagt, bin sehr gespannt.

Auch auf das Haus, das hab ich als einziges von den Häusern mit Volunteers noch nicht gesehen. Es ist das, indem auch die letzte Freiwillige vom IB ihr ganzes Auslandsjahr verbracht hat. Das ist schon mal ein gutes Zeichen, dass sie nie Haus wechseln wollte.
Ja, ich bin gespannt. Jetzt muss ich aber noch Frühstücken und meine Sachen für den Umzug fertig machen.

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Zu viele Wasserhähne

Ja, ich will tatsächlich von meiner Erfahrung mit dem Abspülen hier berichten. Was kann daran besonders sein?

Dass es nervig ist, nach jeder Mahlzeit abzuspülen? Das kennt jeder, aber eigentlich nervts mich gar nicht so sehr. Dass meine Mitbewohner gelegentlich singen beim Abspülen? Na ja, gar nicht so selten, soll's geben. Nein, wisst ihr, in England hat normalerweise jedes Waschbecken zwei Wasserhähne. Aus einem kommt kaltes Wasser, aus einem warmes. Nein, aus einem kommt eiskaltes Wasser, aus dem anderen fast kochend heißes. So, und wenn man jetzt warmes Wasser zum Abspülen braucht, an dem man sich nicht die Finger verbrennt? Also, ich hab mich einfach jedes Mal wieder geärgert.

Dabei müsste man nur ein bisschen kreativ sein, wie Diamantas, der auch bei Cambridge Cyrenians arbeitet und meist hier im Ferry House wohnt: Eine Plastikflasche mit drei Löchern löst das Problem...

So simpel, aber ich muss sagen, ich wär einfach nicht drauf gekommen.

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Linksverkehr und andere Englische Eigenheiten

Look right ->

Ja, ich kann's. Ich muss mich noch ein bisschen zwingen, aber es klappt meistens. Das ist gut, sonst würd ich hier echt ein bisschen gefährlich leben. Und es ist ja nicht nur auf der Straße so. Daran denkt man ja gar nicht, zum Beispiel bei Rolltreppen. Oder wenn einem jemand entgegenkommt ganz einfach. Das ist ganz unterbewusst.

Also, du hast zwei Rolltreppen, eine nach oben, eine nach unten. Auf welcher Seite erwartest du die, die nach oben führt, wenn du unten stehst? Und wenn du direkt auf einen Menschen zuläufst und er auf dich. Ja, manchmal weiß man nicht, auf welche Seite man ausweichen soll. Aber normalerweise, das fällt dir sonst gar nicht auf, normalerweise schwenkst du automatisch nach rechts. Und wie lernt man im Kindergarten, muss man gucken, wenn man über die Straße geht? Links, rechts, links. Ja, blöd, wenn die Autos von rechts kommen und du nach links guckst.

Vor allem, weil zumindest in London auch kein Fußgänger rote Ampeln beachtet. Reger Verkehr, du wartest, bis die Ampel grün wird. Da überholt dich so das typische Oma'lein und rennt vor dir über die Straße. Du bist erst mal perplex, merkst dann aber, dass immer ganze Horden von Menschen über rote Ampeln marschieren und machst das irgendwann nach. Glücklicherweise hat da die Stadt mitgedacht und weist alle freundlich darauf hin, in welche Richtung sie jeweils gucken müssen, bevor sie über die rote Ampel marschieren:

Danke, London, ich kann's. Erst links, dann rechts. Ich komm klar mit dem Linksverkehr.

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Das süße Häuschen an der Cam - Ankunft in Cambridge

Gestern also ging's los. Am Morgen noch dramatischer Abschied von zu Haus und den Liebsten und am Mittag ist man schon in dem Land, das auf einmal für ein Jahr die neue Heimat sein soll - immer noch absolut unfassbar bisher.

Unsere Anreise war so unspektakulär, dass es schon wieder spektakulär wär. Du steigst in den Flieger, wenig später wieder aus. Kein anderes Klima, keine andere Landschaft, keine anderen Menschen. Aber trotzdem wird alles anders sein als daheim.

Nach viel zu kurzer Zeit für einen im Vergleich dazu viel zu langem Aufenthalt stehen Benni, mein Mitfreiwilliger aus München, und ich also am Bahnhof in Cambridge und haben uns beide irgendwie auf den anderen verlassen, dass er mit Emma abgesprochen hat, wie es von da aus weiter geht. Denkste.

Wir gelangen zur Short Street, ehemals ein Pub, wie uns der Taxifahrer unbedingt noch vermitteln will. Jetzt sozusagen die Zentrale unserer Einsatzstelle.

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Was werde ich arbeiten?

Je näher die Abreise rückt, desto mehr bin ich gespannt, wie genau die Arbeit abläuft.
Ich kenne ja nur die Infos von der Website und die Antworten meiner Fragen an vorherige Freiwillige. Ich stelle mir das Projekt also folgendermaßen vor:
Cambridge Cyrenians bietet zwei Häuser für kürzeren Aufenthalt - das heißt zwischen ein paar Wochen und einem Jahr - und eins für sogar jahrelangen Aufenthalt. Es leben jeweils zwei Freiwillige und acht ehemalige Obdachlose zusammen, wobei letztere meist zwischen 20 und 45 Jahre alt sind. Außerdem gibt es ein Büro-Team, an das sich die Freiwilligen bei Bedarf wenden können.

Aufgabe der Freiwilligen ist dabei vor allem, direkter Ansprechpartner in allen Dingen für die Mitbewohner zu sein. "Befriender" wird das auf Englisch genannt. Man versucht also, zu helfen, wo man kann, Rat zu geben oder hat einfach nur ein offenes Ohr. Die ehemaligen Obdachlosen haben meist schon viel durchgemacht und es kann ihnen einfach nur gut tun, wenn ihnen mal jemand zuhört.

Daneben gibt es viele praktische Dinge zu tun für die Freiwilligen. Putzen muss organisiert werden, Essen eingekauft, Anrufe beantwortet, Zimmer für neue Bewohner hergerichtet werden und was halt sonst alles so anfällt in einem Haushalt.

Die Freiwilligen haben ein eigenes Zimmer in der WG, Bad und Küche teilt man sich. Sie müssen zu festen Zeiten im Haus sein, zu den Zeiten, in denen sie normalerweise am meisten von den Mitbewohnern gebraucht werden. Diese wurden festgelegt von 9 bis 10.30 Uhr am Morgen und 4 bis 7 Uhr am frühen Abend. Außerdem müssen die Freiwilligen zu den wöchentlichen Treffen mit dem Büro-Team erscheinen, wo besprochen wird, wie es in den einzelnen Häusern läuft. Jede Woche hat man einmal 48 Stunden frei und für 10 Wochen Arbeiten gibt es eine Woche Urlaub.

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Ausreiseseminar Dransfeld 6.8. - 10.8.

Das Ausreiseseminar fand mit einer Truppe von richtig coolen Leuten in einem grußeligen Haus irgendwo im Nirgendwo auf einem Berg in einem Wald statt.
Die meisten der Freiwilligen des Seminars werden nach Tansania oder Afrika gehen. Da kommt es einem selbst wirklich langweilig vor, wenn man "nur" nach Großbritannien aufbricht. Wo bleibt da der "Kulturschock"? Aber vielleicht wird man gerade deshalb von der britischen Kultur schockiert, weil einen eben nicht viel anderes erwartet. Ich bin gespannt.

Aufgabe auf dem Seminar war es bei einer Einheit zunächst einmal einfach vorbehaltslos negative Vorurteile gegen unser Zielland aufzuschreiben. Gar nicht so leicht.
Leonie, die auch nach Großbritannien, Schottland, geht, und ich haben u. a. folgende gefunden:

Engländer sind...
...besessene Teetrinker
...sonnennärrisch
...eigenbrötlerisch (was z.B. Währung, Linksverkehr, EU anbelangt)
Wenn ich außerdem jemandem erzähl, ich geh für ein Jahr nach England, habe ich mir darauf schon viel zu oft anhören müssen: Es regnet immer dort, das Essen ist schrecklich und die Engländer mögen keine Deutschen.

Habt ihr schon mal versucht, hinter jedem Vorurteil das Positive zu sehen? Nein? Probierts mal!

Unser Fazit war, dass man sich in England wohl an den kleinen Dingen im Leben besser erfreuen kann, wie einfach Sonnenschein zum Beispiel. Außerdem dass man wohl recht stolz auf die eigene Kultur ist und diese auch bewahren will. Das 'man' gilt natürlich wie immer nicht für alle Engländer. Ja, und ich hab gehört, der Tee hilft in England einfach gegen alles - Krankheit, Stress, Beziehungsprobleme: erst mal eine Tasse Tee!

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Anikas Reisefotos.

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Anikas Reisefotos.

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Anikas Reisefotos.

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.

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"Oh du Fröhliche" - Der Elchkopf auf dem Bild hat deutsche Weihnachtslieder gesungen, von einer anderen Bude tönte Nenas "Die perfekte Welle"

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.

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Hinter dem Namen "Potato Pancake" versteckt sich ein einfaches Gericht: Reiberdatschi.

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.

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Anika ist ein Jahr in England.

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Anika ist ein Jahr in England.

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Anikas Reisefotos.

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Anika war auf dem Christkindlmarkt in London.